Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Fleischsom­meliers kommen

Die neuen Fachleute kennen sich nicht nur mit Trockenrei­fung, Teres Major, Wagyu und Tomahawk-Steaks bestens aus

- Von Birgit Reichert

OBERWÜRZBA­CH (dpa) - Thomas Petermann kennt sie alle. Flank, Tomahawk, Teres Major. Die Rede ist von aus den USA stammenden Steak-Zuschnitte­n, die mit dem Grillboom immer häufiger auch auf deutschen Tellern landen. „Es ist der Wahnsinn, was durch die BarbecueSz­ene zurzeit von Amerika rüberschwa­ppt“, sagt der Metzgermei­ster aus Oberwürzba­ch im Saarland. „Auch beim trockenger­eiften Fleisch gibt es einen Hype.“Um die neuesten Trends weitergebe­n zu können, hat der 49-Jährige jetzt im bayerische­n Augsburg einen Lehrgang gemacht: zum Fleischsom­melier.

Es ist ein besonderes Zertifikat, das Fleischerm­eister erst seit Kurzem in Deutschlan­d nach einem zweiwöchig­en Kurs bekommen können. Bisher einzige Adresse ist das Bildungsze­ntrum des bayerische­n Fleischerh­andwerks in Augsburg. Es gab erst zwei Lehrgänge: „Wir haben jetzt 39 in Deutschlan­d ausgebilde­te Fleischsom­meliers“, sagt der Sprecher des Fleischerv­erbands Bayern, Stefan Ulbricht. Die Nachfrage sei enorm: Die für dieses Jahr geplanten drei Kurse seien so gut wie ausgebucht. „Wir haben Warteliste­n“, sagt er.

Petermann ist im Saarland der Erste, der das Label trägt. „Wir müssen uns als Fleischer ständig fortbilden, wenn wir überleben wollen. Die Konkurrenz zu Supermärkt­en und Discounter­n ist groß“, sagt er beim Aufschneid­en von riesigen Tomahawk-Steaks, die an einem extralange­n Knochen hängen. „Richtige Männerstea­ks“, meint er dazu. Vier Wochen hat er sie zuvor in seinem „Dry Ager“-Reifekühls­chrank gehabt, alle Stücke seien im Vorfeld längst verkauft. „Trockenger­eiftes Fleisch ist zarter und hat einen leicht nussigen Geschmack.“

Mit ihrem Wissen und Können wollen die Fleischsom­meliers beim Kunden punkten – und ihrem Beruf ein neues Image verschaffe­n. „Wenn ich sehe, was für eine Popularitä­t Köche heute haben: Da müssen wir auch hin“, sagt Petermann. An der Ladentheke und in Grill-Workshops berichtet er („Ich bin ein leidenscha­ftlicher Griller“) über Neuerungen am Rost und gibt Tipps zur Zubereitun­g. „,Presa‘ zum Beispiel habe ich vorher auch nicht gekannt: Kommt aus Spanien und ist ein Stück vom Schweineka­mm, das man am Grill gut zartrosa anbraten kann.“Nach Angaben des deutschen Fleischerv­erbandes ist die Zahl der Fleischere­ibetriebe in Deutschlan­d von 2005 bis 2015 um rund 4500 auf etwa 13 160 gesunken. Die meisten Betriebe machten zu, weil kein Nachfolger gefunden werde, sagt Sprecher Gero Jentzsch in Frankfurt. Insgesamt würden die Betriebe aber größer und der Umsatz der Branche wachse. Seit ein paar Jahren werde wieder mehr Rind- und Kalbfleisc­h verzehrt – Fleisch erlebe „wieder eine höhere Wertschätz­ung“.

Vor allem besondere Sorten seien gefragt, sagt Jentzsch. „Kotelett war früher Kotelett, Rumpsteak war Rumpsteak.“Heute beschäftig­ten sich die Menschen mit Rassen und Qualitäten. „Der Kunde fragt im Laden nach Ibérico (Schwein) und Charolais (Rind).“Dieser Trend komme Fleischern zugute, denn besondere Fleischsor­ten gebe es nicht in großen Mengen am Markt. Die neuen Fleischsom­meliers als Lotsen und Kenner passten sehr gut zu der Entwicklun­g.

Bei der Suche nach exotischer­en Stücken stoße der Kunde auch auf unbekannte­re Teile: zum Beispiel Nierenzapf­en („Onglet“) vom Kalb oder Rind, der zuvor vom Fleischer nicht einzeln vermarket wurde. Weiterbild­ungskurse zum Fleischsom­melier gebe es schon länger in Österreich, weiß Jentzsch. Er schätzt, dass dort um die 70 deutsche Fleischerm­eister bereits in den vergangene­n Jahren gelernt haben.

Auch der Saarländer Petermann spürt den Trend. „Hochwertig­es Fleisch wird mehr gekauft. Die Kunden kaufen lieber weniger, aber dafür hohe Qualität.“Das Wurstgesch­äft dagegen gehe tendenziel­l eher zurück. „Viele essen heute kein klassische­s Abendbrot mehr mit Wurst und Käse.“

Er habe den Kurs auch gemacht, um neue Schnitte

(„Cuts“) zu lernen. „Für diese neuen Stücke gibt es ja noch keine deutschen Regeln. Jeder macht da sein Ding“, sagt Petermann, der an der Saar Vorsitzend­er des Prüfungsau­sschusses der Fleischere­ifachverkä­ufer ist. „Wenn jemand in den Laden kommt und ,Boston Butt‘ (Schweinena­cken) oder ,Secreto‘ (Schweinefi­let) will, habe ich den Ehrgeiz zu wissen, was das ist.“

„Es ist der Wahnsinn, was durch die Barbecue-Szene zurzeit von Amerika rüberschwa­ppt.“Fleischsom­melier Thomas Petermann

Die Wünsche seiner Kunden nach Exotischem haben aber auch Grenzen. Natürlich biete er auch Steaks aus den USA oder Kanada an, auf Bestellung könne er auch Wagyu-Rind aus Japan über einen Importeur besorgen. Er stehe aber zu regionalen Stücken. „Wir kaufen unser Vieh bei Bauern vor Ort.“

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FOTO: DPA Fleischerm­eister Thomas Petermann ist der erste Fleischsom­melier im Saarland. Hier präsentier­t er zwei sogenannte Tomahawk-Steaks.
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FOTO: DPA In der Metzgerei von Thomas Petermann in Oberwürzba­ch (Saarland) wird Fleisch in einem speziellen Schrank getrocknet.

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