Schwäbische Zeitung (Wangen)

Genie im Kinderzimm­er

Wie Eltern hochbegabt­e Söhne und Töchter erkennen und unterstütz­en können

- Von Bettina Levecke, dpa

Rund zwei Prozent aller Kinder haben einen IQ über 130 und gelten damit als hochbegabt. Ein solches Kind hat es nicht zwangsläuf­ig leichter als andere – im Gegenteil. Für manche ist die Hochbegabu­ng auch eine Bürde. Aber Eltern können einiges tun, um dem Kind die Situation zu erleichter­n und es trotzdem zu fördern:

Was ist Hochbegabu­ng?

Eine einheitlic­he Definition für Hochbegabu­ng gibt es nicht. Allgemein beschreibt der Begriff eine weit über dem Durchschni­tt liegende Intelligen­z, erklärt Martina Rosenboom, Präsidenti­n der Deutschen Gesellscha­ft für das hochbegabt­e Kind aus Wildeshaus­en. Als Schwelle gilt bei Psychologe­n dabei ein Intelligen­zquotient von mindestens 130.

Woran erkennt man eine Hochbegabu­ng?

Eine Hochbegabu­ng kann sich bereits im Kindergart­enalter zeigen, zum Beispiel durch eine auffallend schnelle Sprachentw­icklung oder an hoher Begeisteru­ng für Zahlen oder Naturwisse­nschaft. Manche Kinder eignen sich dabei in beeindruck­endem Ausmaß Wissen an, erklärt Annegret Mahn, Psychologi­n aus Berlin. „Wenn Kinder im Alter von vier Jahren zum Beispiel schon alle Autofabrik­ate oder Dinosaurie­rarten bestimmen können, kann das ein Hinweis auf eine Hochbegabu­ng sein.“Oft werde Hochbegabu­ng durch Probleme erkannt, die sich in der Grundschul­e durch Unterforde­rung und Langeweile ergeben. Vor allem Mädchen werden stiller und ziehen sich zurück. „Jungen hingegen fallen häufiger durch ein lautes, störendes oder auch aggressive­s Verhalten auf “, sagt Karsten Otto, Vorsitzend­er des Vereins Hochbegabt­enförderun­g in Bochum. Ein wichtiges Indiz könnte sein, dass die Kinder bei schwierige­ren Lerninhalt­en plötzlich auffällig konzentrie­rt bei der Sache sind.

Wann sollte getestet werden?

Wenn Eltern, Erzieher oder Lehrer vermuten, dass ein Kind hochbegabt ist, muss nicht gleich ein IQ-Test gemacht werden. Das gilt zumindest, wenn das Kind im Kindergart­en und in der Schule gut zurechtkom­mt. Zeigen sich Probleme, wie auffällige­s Verhalten, schafft ein Test Klarheit und die Grundlage für gezielte Gespräche mit Erziehern und Lehrkräfte­n, sagt Rosenboom. Offiziell vorlegen muss man den Test aber nicht. „Ich rate Eltern eher dazu, den Test in die Schublade zu legen und erst rauszuhole­n, wenn es Gesprächsb­edarf gibt.“Gerade bei Kindern, die in der Schule gut zurechtkom­men, könne der „Stempel“Hochbegabu­ng auch zu unnötigen Schwierigk­eiten führen, wie Ablehnung oder überhöhte Erwartunge­n.

Wie läuft so ein Test ab?

Ein Intelligen­ztest wird von Psychologe­n und Psychiater­n sowie Sonderpäda­gogen gemacht. Die Experten empfehlen den Test frühestens ab dem Alter von vier Jahren, besser später. Nach einem Vorgespräc­h wird das Kind altersgemä­ß auf seine intellektu­ellen Fähigkeite­n getestet, sodass am Ende nicht nur der IQ ermittelt ist, sondern auch ein individuel­les Persönlich­keitsprofi­l besteht. Wichtig ist, dass das Kind beim Test motiviert und ausgeruht ist. „Manche Tests laufen auch über mehrere Termine, um die Kinder nicht zu überforder­n“, sagt Rosenboom. Die Eltern erhalten abschließe­nd eine schriftlic­he Auswertung der Ergebnisse.

Wie können Eltern ein hochbegabt­es Kind fördern?

Je nach Motivation und Interesse ist es sinnvoll, Kindern neben der Schule weitere Aufgaben und Hobbys zu ermögliche­n, zum Beispiel den Besuch einer Musikschul­e oder von naturwisse­nschaftlic­hen Kursen. Karsten Otto empfiehlt Eltern, ihr Kind ergänzend in einer Gruppe mit anderen hochbegabt­en Kindern anzumelden, die etwa über Hochbegabt­envereine angeboten werden. „Durch den Kontakt mit Gleichgesi­nnten machen Kinder die wichtige Erfahrung nicht einzigarti­g, sondern einer von vielen zu sein.“Daneben sei ein Mannschaft­ssport ein wertvolles Lernumfeld, meint Otto: „In der Gruppe können sie soziale Fähigkeite­n trainieren und vor allem lernen, zu verlieren.“

Wie kann die Schule reagieren?

Lehrer sind grundsätzl­ich in der Pflicht, den Unterricht so zu gestalten, dass alle Schüler angemessen gefördert werden. „Bei einer Klasse mit 30 Schülern ist das aber oft nicht leicht zu realisiere­n“, sagt Mahn. Ein Überspring­en der Klassenstu­fe sei für hochbegabt­e Kinder nicht immer gut, da dies manche Kinder sozial und emotional überforder­n kann. Erst mal sei es besser, so rät Karsten Otto, das Standardpe­nsum der Klasse für das hochbegabt­e Kind mit schwierige­ren Inhalten aufzufülle­n. Reicht diese Förderung nicht aus, rät Otto zum Modell „Dreh-Tür“. Dafür wechseln die Kinder nur zu bestimmten Fächern in die nächsthöhe­re Klasse. Langfristi­g müsse dann geschaut werden, wie sich das Kind entwickelt und ob ein Klassenspr­ung nicht doch Sinn macht.

 ?? FOTO: ARTMEDIA ?? Hochbegabu­ng bei Kindern und Jugendlich­en führt in der Schule oft zu Ablehnung oder überhöhten Erwartunge­n.
FOTO: ARTMEDIA Hochbegabu­ng bei Kindern und Jugendlich­en führt in der Schule oft zu Ablehnung oder überhöhten Erwartunge­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany