Mann für Spezialaufgaben
Rainer Mutschler, bisher Marketingchef beim VfB Stuttgart, soll die Towerstars bis 2020 fit für die DEL machen
RAVENSBURG - Auf die Frage, ob es einer aus dem Fußball möglicherweise schwer haben könnte, bei Puckjägern auf dem Eis gut anzukommen, musste Rainer Mutschler am Dienstag ein Versäumnis einräumen: „Mit dem Schlittschuhlaufen hab ich’s nicht so. Ich brauche eigentlich 'nen Stock, um mich festzuhalten.“Ernsthaft fügte der frühere Ski-Bundestrainer und Alpinchef der Frauen an: „Als ich vor 32 Jahren beim DSV begonnen hab, der ja extrem bayerisch geprägt ist, hieß es damals nur: Was will denn der Schwabe hier? Und als ich 1999 zum VfB Stuttgart wechselte, hieß es: Was, ein Skifahrer? Ich glaube nicht, dass das diesmal ein Problem wird – zumal ich als gebürtiger Saulgauer aus der Region stamme.“
In der Tat dürfte die Nachricht, die der Eishockey-Zweitligist Ravensburg Towerstars in der Zentrale seines Hauptsponsors CHG verkündete, eher eine Frohbotschaft sein. Der Eishockey-Zweitligist hat dem VfB Stuttgart den Marketingleiter abgeluchst – für seinen Traum von der DEL. Bis 2020 wollen die Towerstars die Voraussetzungen schaffen, um die DEL mitzuspielen. Der „Fußballprofi“soll mit seinen Kontakten und seinem Netzwerk dabei helfen, auch überregionale Sponsoren an Land zu ziehen, sagte Frank Kottmann, Chef des Gesellschafterbeirats. „Projekt 2020“nennen die Ravensburger das.
„Bis 2020 werden sich vier, fünf Mannschaften mit Budgets herauskristallisieren, die vielleicht doppelt so hoch sein werden wie unseres derzeit, und die den Aufstieg unter sich ausmachen werden. Wir wollen nicht abgehängt werden, sondern dabei sein“, sagte Kottmann, und dazu bedarf es mehrerer Schritte. Zunächst einmal muss die DEL Auf- und Abstieg wieder möglich machen. Das war eigentlich schon beschlossen, ehe die DEL wieder einen Rückzieher machte – demnächst treffen sich die Parteien vor dem Schiedsgericht. Kottmann, Mitglied im Aufsichtsrat der DEL2, ist zuversichtlich, dass die Reform bereits ab nächster Saison greift. Das Eisstadion muss zudem auf 4000 Plätze erweitert werden. Die Stadt Ravensburg hat soeben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, der Club träumt davon, bereits Ende 2018 in der neuen Arena spielen zu können. Drittens sollte der Etat steigen – und hier kommt Mutschler ins Spiel. Die Towerstars, findet der 57-Jährige, der bis vor fünf Jahren in Tettnang lebte und nun in die Region Ravensburg zurückziehen möchte, hätten alles, was ein Club braucht: „Ein Riesen-Einzugsgebiet von Oberschwaben bis zum Bodensee, Fans, die ihrem Verein fast so sehr verbunden sind wie dem Rutenfest und ein Standort mit riesiger Wirtschaftskraft, an dem vieles möglich ist.“Und natürlich wenig Konkurrenz im Spitzensport.
Es gab schon Funktionäre, die vom Fußball zum Eishockey wechselten, etwa Ex-Bundesligaprofi Thomas Eichin, der lange Jahre als Geschäftsführer bei den Kölner Haien wirkte (ehe zu Werder Bremen ging und zuletzt bei den Kickern von 1860 München zum Scheich-Opfer wurde). Für Kottmann ist das Risiko des Fremdelns eher begrenzt. „Würde Mutsch bei uns als Trainer anfangen, hätte ich Bauchweh, auch als Sportdirektor hätte ich Bedenken. Aber ein Marketing-Spezialist wie er kann überall arbeiten.“
Dass Mutschler den VfB gerade jetzt verlässt, nach der Ausgliederung, in einer Zeit, in der der VfB nach einem Jahrzehnt Stillstand wieder prosperiert, überrascht allerdings doch. Mutschler, bis 2015 neben Joachim Röttgermann gleichberechtigter Marketingchef, war seitdem Projektleiter eben dieser Ausgliederung gewesen. Ein Mann für Spezialaufgaben, auch Personalmanagement, Merchandising und Unternehmensentwicklung hatte er unter sich. Als ihn Towerstars-Geschäftsführer Rainer Schan im November erstmals kontaktierte, stand die Mehrheit für das Mutschler-Projekt allerdings noch in den Sternen. Der 57-Jährige ließ sich nach eigenen Angaben schnell begeistern für den „echten Männersport Eishockey“, die „phänomenale Stimmung in Ravensburg“und die Visionen der Puckjäger. Das Neue und die Möglichkeit, etwas zu verändern, habe ihn gereizt. „Ich bin keiner, der alle zwei, drei Jahre seinen Job wechselt, bei mir sind es 15. Aber offenbar bin ich einer, der dann eine 90-Grad-Kurve einschlägt. Solche einschneidenden Änderungen sind verlockend, ich finde sie spannend.“
Mutschler habe „wesentlich zur erfolgreichen Entwicklung des VfB“beigetragen, erklärte Stuttgarts Präsident Wolfgang Dietrich, man bedauere seine Entscheidung, respektiere sie aber. Ob man gleiches auch über Mutschler in Ravensburg sagen wird? Vieles wird an der neuen Halle hängen, bei der Mutschler – ähnlich wie bei der Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart – auf einen Sponsor zur Teilfinanzierung hofft. „Ich will Taten statt Worte sprechen lassen und die Ärmel hochkrempeln“, sagt er. „Aber ich würde mir wünschen, nun auch 15 Jahre bei den Towerstars zu bleiben.“Nur mit der DEL, da soll es schneller gehen.