Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Jopi Heesters unter dem Grauvieh

Im Ostallgäue­r Ödwang lebt eine fast 20-jährige Kuh – Das entspricht etwa 105 Menschenja­hren

- Von Renate Meier

ÖDWANG - Die „Große“, wie sie Bauer Jürgen Zettl liebevoll nennt, ist eindeutig ein weibliches Wesen. Schließlic­h hat sie schon 15 Kälber zur Welt gebracht. Doch, um ihre Bekannthei­t zu verdeutlic­hen, zieht der 54-Jährige einen Vergleich zu einem Mann: „Sie ist wie der Jopi Heesters unter den Kühen,“scherzt Zettl. Der berühmte Schauspiel­er wurde 108 Jahre alt. Die „Große“dürfte so bei 104 bis 106 Jahren liegen, würde man ihr biblisches Kuh-Alter von fast 20 Jahren mit einem Menschen vergleiche­n.

Und auch wenn sie seit 2015 im Ruhestand ist – also nicht mehr besamt wird und deshalb auch keine Milch mehr gibt – auf der Weide und im Stall ist die Ur-Ur-Ur-Großmutter noch immer die Chefin. Sie zeigt dem Jungvieh draußen, wo es die besten Gräser zu fressen gibt. Im Winter lernt sie den Nachwuchs im Laufstall an, damit er etwa weiß, wie er an frisches Trinkwasse­r kommt. Für die Familie steht auf jeden Fall fest: Ihr Gnadenbrot wird die „Große“auf dem Grauvieh-Hof im Osterzelle­r Ortsteil Ödwang bis an ihr Lebensende bekommen.

In Südtirol geboren

Denn das außergewöh­nliche Tier hat dem Hof viele Jahre lang großen Nutzen gebracht. Geboren wurde das Rind 1997 in Jenesien, das liegt oberhalb von Bozen in Südtirol. Neun Jahre später entschloss sich der aus Oberbayern stammende Jürgen Zettl, im Ostallgäu einen Bauernhof zu kaufen und Südtiroler Grauvieh zu züchten. So begab er sich auf Einkaufsto­ur in die Heimat der widerstand­sfähigen und ursprüngli­chen Tiere (siehe Infokasten) .

„Große“war damals gerade mit ihrem sechsten Kalb trächtig. Ihr Bauer hatte überhaupt kein Interesse daran, sich von ihr zu trennen. Doch Zettl hatte mit seinem Kennerblic­k erkannt, dass dies eine ganz besondere Kuh ist – „eine ganz zaache“eben. Er dachte, dass sie bestimmt so an die 14, 15 Jahre alt wird. Noch heute schwärmt er von ihren Sehnen und ihrem Knochenbau. Nach einer Brotzeit schwatzte Zettl seinem Südtiroler Kollegen die Kuh doch noch ab. An die 2500 Euro hat er für die „Große“bezahlt.

Über 61 000 Kilo Milch

Mit einem Viehtransp­orter gelangte sie ins Ostallgäu. Hier schenkte sie den Zettls noch zehn Kälber. Insgesamt gab sie in ihrem Leben 61 109 Kilo Milch. Drei ihrer Töchter leben bis heute auf dem Hof und geben immer noch Milch. Und auch diese vermehrten sich prächtig. Zettl hat viele Kälber verkauft. Fünf Enkelinnen von „Große“stehen bei ihm derzeit in Milch, zudem leben noch neun ihrer Urenkelinn­en in Ödwang.

Verbindung zur Heimat

Am 6. November 1916 erblickte die Ur-Ur-Ur-Großmutter von „Große“in Südtirol das Licht der Welt. Es besteht sogar die Chance, dass „Große“noch die siebte Generation erlebt, vermutet Zettl. Die Verbindung zu ihrer Heimat ist nämlich nie abgerissen.

Noch heute kommen Südtiroler – darunter ihr ehemaliger Halter – auf den Hof nach Ödwang, um „Große“zu besuchen. Unzählige Fotos wurden bereits von ihr geknipst. Und zu Weihnachte­n überrascht­e Zettls Tochter Johanna (17 Jahre) den Papa mit einer wunderschö­nen Zeichnung von seiner liebsten Kuh.

 ?? WILD FOTO: MATHIAS ?? Jürgen Zettl mit seiner fast 20-jährigen Kuh „Große“. Auch im biblischen Alter hat sie noch einen geraden Rücken und ihre Hörner zeigen noch nach oben, schwärmt der Grauvieh-Züchter aus dem Ostallgäu.
WILD FOTO: MATHIAS Jürgen Zettl mit seiner fast 20-jährigen Kuh „Große“. Auch im biblischen Alter hat sie noch einen geraden Rücken und ihre Hörner zeigen noch nach oben, schwärmt der Grauvieh-Züchter aus dem Ostallgäu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany