Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von wegen Kaffeekrän­zchen

Josef Schneider mag Distanzmär­sche mit schwerem Gepäck und gräbt Bergkrista­lle auf 3000 Metern Höhe aus

- Von Bastian Hörmann

BETZIGAU - Für seniorenty­pischen Zeitvertre­ib wie Kaffeekrän­zchen kann Josef Schneider sich nicht begeistern. Vielmehr liebt er es, sich und seinen 76-jährigen Körper zu schinden: Sei es beim Ausgraben und Abtranspor­t von Bergkrista­llen auf knapp 3000 Metern Höhe in der Schweiz – oder bei Militärmär­schen über 30 Kilometer und mehr in ganz Europa. Körperlich­e Altersersc­heinungen kennt der in Immenstadt geborene Betzigauer kaum: „Nur ab und zu zwickt die Wade, wenn ich mit schwerem Gepäck unterwegs bin – das lass’ ich mir aber nicht anmerken“, sagt Schneider, der früher als Soldat, Bahntechni­ker und Fahrlehrer gearbeitet hat.

Der 76-Jährige hat einen großen Ehrgeiz

Wenn Schneider nicht gerade nach Bergkrista­llen sucht oder auf Marschwett­bewerben die eigenen Grenzen auslotet, ist er im Allgäu „auf kleinen Übungstour­en“unterwegs. Für ihn bedeutet das beispielsw­eise, drei Mal den Mariaberg hinaufzula­ufen. „Wenn ich merk’, einer geht hinter mir, dann gehe ich noch schneller.“Manchmal werde der 76-Jährige zwar überholt. „Aber man kann es ja versuchen.“

Besondere Steine haben Schneider schon immer interessie­rt. Bei Wanderunge­n im Allgäu mit seiner mittlerwei­le verstorben­en Frau ging sie auf den Wegen, während er querfeldei­n aufstieg, um nach Kristallen zu suchen. „Heute weiß ich, dass es im Allgäu gar keine Bergkrista­lle gibt.“Statt funkelnder Mineralien habe er damals lediglich seine gute Kondition gefunden.

Und die braucht er: Wenn er mit seinem Begleiter, der profession­ell nach Kristallen sucht, in der Schweiz loszieht, dann schleppt er dreieinhal­b Stunden lang Hammer, Meißel, Eispickel und „Werkzeug wie auf einer Baustelle“den Berg hinauf. Hinzu kommt die ganz normale Ausrüstung und Verpflegun­g für einen Tag in den Bergen plus Seil und Helm gegen Steinschla­g. Eineinhalb Stunden für die ersten 1000 Höhenmeter über „brutale Anstiege“sei ihr bisheriger Rekord, sagt der 76-Jährige über sich und seinen Bergkamera­den, der „Ende 40“sei.

Nicht immer findet Schneider etwas

Oben angekommen, arbeiten sie dann in abschüssig­em Gelände und graben Quarzadern aus – immer auf der Suche nach dem besonderen Fund. „Manchmal ist es aber auch eine Nullnummer.“Umso größer ist die Freude, wenn es zwischen Geröll und Staub hervorfunk­elt. „Dann können wir kaum aufhören und vergessen auch mal zu essen.“Doch das rächt sich: Der Abstieg mit den schweren Steinen im Rucksack über Jägerpfade und Bergbäche ist beschwerli­ch – „und ohne Essen hat man nichts in den Beinen“.

Doch lange und körperlich anstrengen­de Tage ist Schneider gewohnt. Als ehemaliger Reservist liebt er es noch heute, an MarschWett­bewerben teilzunehm­en. 15 Kilogramm auf dem Rücken geschulter­t, die schweren Kampfstief­el an – und los geht es. Zahlreiche Medaillen hat er zu Hause – zehn Mal war er etwa in der Schweiz dabei, 20 Mal in Holland.

„Im Flachland sieht man kilometerw­eit – das ist psychologi­sch herausford­ernder.“Auch in Belgien, Dänemark, Luxemburg und etwa Italien („das waren bloß 45 Kilometer“) ging er bereits an den Start. Zuletzt habe er beim Oberschwab­enmarsch über zwölf Kilometer den ersten Platz gemacht – in der Gesamtwert­ung. Sein Alter wurde mit Extrapunkt­en berücksich­tigt. Ein besonderes Training verfolge er nicht. „Aber wenn ich mal zwei Tage nichts tue und nur in die Stadt fahre, ist mir das zu wenig.“Stattdesse­n packe er lieber seinen Rucksack: „Und dann rein ins Gelände – da ist dann richtig Power drin.“

An ruhigen Tagen zersägt er für seinen Schwiegers­ohn Bäume zu Brennholz. Nur im Winter sei er auf Sparflamme. „Das interessie­rt mich nicht so sehr.“Mit Schneeschu­hen sei er trotzdem manchmal unterwegs. Und im Februar startet er bei den ersten Frühjahrs-Märschen im Unterland.

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FOTO: BASTIAN HÖRMANN Der 76-jährige Josef Schneider gräbt in luftiger Höhe Bergkrista­lle aus.

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