„Das ist wie Fluch der Karibik, Teil null“
Christian Stückl inszeniert Wagners „Der fliegende Holländer“in Oberammergau
OBERAMMERGAU (KNA) - Die Bühne ist riesig, der Zuschauerraum hat beinahe 5000 Sitzplätze. Vor dieser imposanten Kulisse finden alle zehn Jahre Oberammergaus weltberühmte Passionsspiele statt. Doch auch dazwischen gibt es jeden Sommer ein Festival, dieses Jahr mit Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“, die am kommenden Freitag Premiere hat. Barbara Just von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hat sich mit Regisseur Christian Stückl über seine erste Inszenierung einer Wagner-Oper unterhalten – und darüber, warum auch Opernferne sich für den Stoff interessieren könnten.
Herr Stückl, warum musste es „Der fliegende Holländer“sein?
Der Theatersommer in Oberammergau gilt zwischen den Passionsspieljahren vor allem der Belebung des Hauses und der künstlerischen Nachwuchsförderung. Als vor drei Jahren die Neue Münchner Philharmonie bei uns ein Konzert gab, war ich von den jungen, internationalen Künstlern begeistert. Mit diesen motivierten Musikern, dachte ich, müsste es funktionieren mal Oper auszuprobieren. In Salzburg fand ich in dem Letten Ainars Rubikis auch noch einen jungen, spannenden Dirigenten, mit dem wir dann „Nabucco“gemacht haben. Inzwischen ist er von Berlin entdeckt worden, wo er ab 2018 die Komische Oper übernimmt. Mit ihm und allen anderen zu arbeiten machte so Spaß, dass wir nun den „Holländer“versuchen wollten.
Das Stück gehöre zur „Gattung grausenerregender Geister- und Zauberopern“, schreibt 1841 der Regisseur Karl August Freiherr von Lichtenstein in einem Gutachten für die preußische Hofoper Berlin. Wie sehen Sie das Werk?
Für uns war es wichtig, dass es eine Choroper ist. Da kann unser riesiger Chor unter Leitung von Markus Zwink mitwirken. Ein paar Leute wollten von mir die Story wissen. Dann habe ich erzählt, dass es um eine junge Frau geht. Senta ist in einen Mann verliebt, den sie bisher nur auf einem Gemälde gesehen hat. Sie hat einen Verehrer, aber dieser Erik ist ihr viel zu bürgerlich und brav. Sie träumt von einem ganz anderen Menschen mit einer spannenden Geschichte. Plötzlich taucht dieses Phantom mit einem Schiff auf. Die Frau will hinaus aus ihrer normalen Welt in eine größere. Selbst als das Verderben droht, ist das für sie spannender als die Realität. Da meinten manche: Das ist ja wie „Fluch der Karibik“, Teil null.
Wagner macht in seiner Partitur auch dem Regisseur Vorgaben. War das für Sie hilfreich?
Sich zu hundert Prozent daran zu halten, geht nicht mehr. Wir haben eine andere Zeit. Auf unserer Freilichtbühne können wir auch keine großen Verwandlungen machen. Stefan Hageneier hat ein Einheitsbühnenbild geschaffen. Aber es gibt ein Schiff zu sehen, erst in der Weite, im dritten Aufzug spielt alles auf dem Deck. Aber unser Problem ist, dass wir im ersten Aufzug nicht mit Licht arbeiten können. Auch den Sturm können wir nicht eigens machen, außer es stürmt tatsächlich.
Bei Verdis „Nabucco“wartet alles auf den Gefangenenchor, beim „Holländer“ist es der „Matrosenchor“. Braucht’s da ein besonderes Fingerspitzengefühl?
Das ist für die gesamte Oper nötig, aber auch eigene Ideen sind gefragt. Der zweite Aufzug besteht übrigens vor allem aus Frauenchören. Spannend finde ich am Inszenieren von Opern, dass der Komponist, natürlich auch der Dirigent, mit der Musik Tempo und Rhythmus vorgeben. Oft auch die Emotion, die von der Musik befördert wird. Im Schauspiel lässt sich eine Szene, die sonst wehleidig dargeboten wird, auch mal kämpferisch machen. Das geht in einer Oper nicht. Das ist für einen SchauspielRegisseur nicht ganz leicht. Trotzdem versucht man seine eigene Geschichte hineinzubringen. Aber manchmal ist die Musik so stark, dass sie dich zwingt zu Dingen, die du vielleicht ganz anders erzählen würdest.
Senta will den „Holländer“von seiner Irrfahrt erlösen. Haben wir es hier mit einer Märtyrerin zu tun?
Wenn man versucht, sich in die Psyche von Wagner reinzudenken, stellt sich die Frage: Steckt er in Senta drin und wünscht sich eine Welt, die größer und geheimnisvoller ist als die reale? Oder sieht er sich mehr im Holländer, der umherirrt und sich nach Erlösung sehnt? Mir gefällt die Idee besser, dass er sich in Senta sieht. Vielleicht aber empfindet Wagner sich auch als der Mann, der erlöst werden will von einer Frau. Und von ihr verlangt er, dass sie bis zum letzten Moment mit ihm mitgeht.
Was seine Frauen ja gemacht haben …
Ob sie deshalb zu Märtyrerinnen wurden, vielleicht. Vielleicht ist es die totale Hingabe an eine Idee, wo man dann zum Märtyrer wird, wenn man so einem Mann nachfolgt. Ich glaube aber, dass die Geschichte von Senta aus betrachtet die spannendere ist.
Premiere am Freitag, 30. Juni. Weitere Vorstellungen am 2., 14., 16., 21., 23. Juli 2017, 20 Uhr. Karten unter 0 88 22 / 945 88 88 oder www.passionstheater.de/ karten