Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verwirrspi­el mit vier Hauptdarst­ellern

Widersprüc­he erschweren am Amtsgerich­t Verhandlun­g über räuberisch­e Erpressung

- Von Jan Scharpenbe­rg

WANGEN - Ein 37-jähriger Mann aus Isny ist am Wangener Amtsgerich­t zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der mehrfach vorbestraf­te Täter soll unter anderem bei einem Treffen am Abend des 22. Juli 2016 einen jungen Mann in einem Isnyer Imbiss bedroht und zur Herausgabe eines Geldbetrag­s gedrängt haben.

In einem teilweise fast schon amüsanten Verwirrspi­el, dass sich während der Verhandlun­g entwickelt­e, wirkten in den „Hauptrolle­n“der Angeklagte, ein 19-jähriger Lehrling aus Argenbühl, der bedrohte junge Isnyer und ein befreundet­er Schüler mit. Nach mehreren widersprüc­hlichen Aussagen, wer wem wie viel Geld schulde, und über die teilweise auch Richter Peter Pahnke den Kopf schüttelte, kristallis­ierte sich folgender Tathergang heraus:

Der Lehrling aus Argenbühl schickte den jungen Isnyer zum Treffen mit dem Angeklagte­n in den Imbiss. Der 37-Jährige dachte jedoch, er hätte den Lehrling vor sich, und ver- suchte mit teils heftigen Drohungen seine Schulden einzutreib­en. Die Auseinande­rsetzung verlagerte sich anschließe­nd auf den Parkplatz eines Supermarkt­s. Dort trafen der junge Mann aus Isny und der Angeklagte auf zirka zehn Bekannte des jungen Mannes. Was dann geschah, ließ sich ebenfalls nicht eindeutig klären, weil auch hier Zeugenauss­agen widersprüc­hlich blieben.

Klar wurde nur: Auch die dortigen „Verhandlun­gen“blieben ergebnislo­s. Der junge Isyner zog schließlic­h weiter in die Wohnung des befreundet­en Schülers. Dort übernachte­ten er und eine weitere Zeugin, wie beide einstimmig berichtete­n.

Mit Stromschoc­ker und Schlagring

Dann folgte Verwechslu­ng Nummer zwei, denn der Isnyer Schüler und der Argenbühle­r Lehrling haben den gleichen Vornamen. Und so glaubte der Angeklagte, die Adresse, die er von Dritten erhalten hatte, gehöre zu dem Lehrling. Am nächsten Mittag also stand der 37-Jährige mit Stromschoc­ker und Schlagring bewaffnet vor der Wohnungstü­r: an der Hand seine neunjährig­e Tochter und im Blut zwei Promille Alkohol. Er nötigte den Schüler, ihm Zutritt zum Haus zu gewähren, wo er den Argenbühle­r Schuldner vermutete.

Weil sich der junge Mann aus Isny in der Zwischenze­it auf einem angrenzend­en Dach versteckt hatte, fand der Angeklagte nur die Zeugin unter der Dusche vor. Diese bedrohte er mit dem Elektrosch­ocker und forderte sie auf, sich anzuziehen und danach den Argenbühle­r Lehrling anzurufen, um ihn nach Isny zu bestellen. Jener nahm jedoch nicht ab. „Meine Tochter hat in der ganzen Zeit meine Hand nicht verlassen“, gab der Angeklagte auf die ungläubige Nachfrage des Richters zu. In der Zwischenze­it hatte der Schüler aus Isny über einen Nachbarn die Polizei alarmiert. Diese konnte die Situation letztendli­ch befrieden.

Einig waren sich Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng in ihren Plädoyers, dass keine der gehörten Versionen zum Tathergang komplett stimmig sei. Mit der Annahme, dass der Lehrling dem Angeklagte­n Geld geschuldet habe, war der ursprüng- liche Vorwurf der schweren räuberisch­en Erpressung aber vom Tisch. Die Staatsanwa­ltschaft erklärte, dass der Angeklagte ein Anrecht auf das Geld hatte, und forderte ein Strafmaß von acht Monaten auf Bewährung und 80 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit. Bei der Verteidigu­ng waren es sechs Monate auf Bewährung und 80 Stunden.

Pahnke verurteilt­e den Angeklagte­n für zweifache Nötigung in Verbindung mit dem Mitführen eines verbotenen Gegenstand­es schließlic­h sogar zu zehn Monaten auf Bewährung und 80 Stunden. Dass dem Angeklagte­n mehrere Verwechslu­ngen passierten, erachtete der Richter zwar als glaubwürdi­g. Als strafversc­härfend schätzten er und die Schöffen jedoch die Tatsache ein, dass der Angeklagte während des Eindringen­s in die Wohnung und der Nötigung der jungen Frau seine Tochter dabei gehabt habe. Trotz der Aussage eines Familienhe­lfers, der den Angeklagte­n als fürsorglic­h beschrieb, bezeichnet­e Pahnke die Sozialprog­nose des Angeklagte­n als „nicht sonderlich positiv“.

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