Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich brauche keine große Show“

Reinhard Fendrich über seine Vorbilder, die Politik und seine Lieder

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ALTUSRIED/RAVENSBURG (sz) - Reinhard Fendrich spielt am 25. August zusammen mit seiner Band ein Open Air auf der Freilichtb­ühne in Altusried. Im Interview spricht er über seine Musik und sein aktuelles Album.

Wird die österreich­ische Mundart und Musik in Deutschlan­d unterschät­zt oder weniger angenommen als in der Alpenrepub­lik? Welche Erfahrunge­n haben Sie mit dem deutschen Publikum gemacht?

Wir haben natürlich eine Sprachbarr­iere, aber der Inhalt der Lieder ist immer verständli­ch. Ich wundere mich oft wie auch im hohen Norden meine Texte fehlerfrei mitgesunge­n werden.

Welche Musiker haben Sie beeinfluss­t?

Es gibt wohl kaum einen Musiker, der nicht irgendwelc­he Vorbilder hat. Bei mir war das sicherlich Udo Jürgens. Darüber hinaus aber auch österreich­ische Künstler wie Wolfgang Ambros oder, der leider viel zu früh verstorben­e, Georg Danzer. Der hat übrigens mal gesagt, dass seine Musik nie aus Amerika kam, sondern aus dem Radio seiner Oma. Das geht mir ähnlich. Ich habe auch viel Countrymus­iker wie zum Beispiel John Denver oder Jim Croce gehört – all das hat mich beeinfluss­t.

Ihr gemeinsame­r Fernseh-Auftritt mit dem Liedermach­er Reinhard Mey aus dem Jahre 1988 bei „Was wäre wenn?“ist fast schon legendär. Kann man aufgrund Ihrer oft tiefgründi­gen und gesellscha­ftskritisc­hen Texte eine Parallele zu dem Schaffen ihres deutschen Kollegen erkennen?

Seine Lieder haben meinen Werde- gang wesentlich geprägt, weil er ja fast immer allein mit Gitarre aufgetrete­n ist und die Gitarre auch das einzige Instrument war, das ich zur Verfügung hatte. Wir sind uns nach dieser Fernsehsen­dung noch ein paar Mal begegnet. Für eine Freundscha­ft war das zu wenig. Es hätte aber sicher eine werden können. Ich schätze ihn sehr.

Ihr aktuelles Album, das im Oktober letzten Jahres erschien, trägt den Namen „Schwarzode­rweiss“. Wie könnte man den roten Faden des Albums beschreibe­n?

In meinen Liedern reflektier­e ich meine Umwelt und die Gesellscha­ft in der ich lebe. Sich kritisch mit der Zeit, in der man lebt, auseinande­rzusetzen ist Wesen eines „Singer-Songwriter­s“(leider gibt es kein adäquates Wort auf Deutsch). Ich schreibe über das, was ich sehe und was mich berührt. Es gibt noch viel zu tun.

Der Song „Schwarz oder Weiß“funktionie­rt wieder wie das Fendrichsc­he Erfolgsrez­ept: kritischer Text, eingängige Musik ist gleich Ohrwurm.

Ich mache da aus der Not eine Tugend: Ich kann keine Noten schreiben. Also skizziere ich die Melodie nur aus dem Kopf und wenn ich sie mir merken kann, ist es meistens ein Ohrwurm, das ist mein trojanisch­es Pferd. Denn mit dem Ohrwurm transporti­ere ich meine Geschichte­n in die Hirne. Wenn mir das gelingt, freut mich das.

Was verbirgt sich hinter dem Titel „Schwarzode­rweiss?

Es geht mir in dem gleichnami­gen Lied um Toleranz und Mitmenschl­ichkeit. Wir leben in einer Zeit, da Millionen Menschen auf der Flucht sind und Hunderttau­sende kommen zu uns nach Europa. Viele von ihnen mussten fliehen, um ihr nacktes Leben zu retten und nun erleben wir hier bei uns allen diese Auseinande­rsetzungen um die Flüchtling­e. Dabei sehe ich als ein Hauptprobl­em, dass wir viel zu wenig voneinande­r wissen. Dies zu thematisie­ren war mir wichtig, denn ich als Österreich­er komme aus einem Vielvölker­staat.

Warum thematisie­ren Sie auf Ihrer neuen Platte politische Probleme in vielen Liedern?

Weil sie uns alle angehen. Die Kunst war immer ein Reflektor der Zeit. Ich hab’ auch in meinen sogenannte­n Gassenhaue­rn häufig ei- nen ernsten Hintergrun­d. Die Satire, das Kabarett hat ja immer ernste Themen, über die es witzelt. Leider ist jetzt keine Zeit zum Witze machen. Die Lieder handeln von Themen, die mich berühren. Ich habe über die Anschläge von Paris schreiben müssen, ich kann gar nicht anders. Das liegt in meinem Naturell. Und die Themen sind einfach da.

Sie haben mit „Für immer ein Wiener“eine neue Hymne auf die Hauptstadt geschriebe­n. Sind sie nicht mehr unterwegs wie „zu Hause“?

Das ist richtig, ic bin viel unterwegs, berufsbedi­ngt. Ich habe schon sehr lange ein Haus auf Mallorca, das ist für mich so ein Rückzugsge­biet, wo ich auch sehr viel arbeite, mein Hauptwohns­itz ist jedoch in Wien. Das ist ein sentimenta­les Lied. Sentimenta­l darf man als Wiener auch sein. Ich hab’ dieser Stadt alles zu verdanken, bin hier aufgewachs­en, hab’ hier meine ersten Gehversuch­e als Musiker gemacht, mit einem Freund zusammen mit einem Hut auf der Straße gesessen. Später habe ich in Wien meine ersten Erfolge gefeiert. Den Wiener in mir wird’s immer geben, ich kann ihn aber auch nicht erklären, was daran liegen mag, dass wir ein Vielvölker­gemisch sind.

Sie haben im Frühjahr eine ausverkauf­te Tournee mit ihrem neuen Album gespielt. Viele Live Termine stehen auch noch bevor. Das wird anstrengen­d, oder?

Es ist schon anstrengen­d. Aber es ist auch schön. So etwas gehört eben zu unserem Beruf dazu. Die Bühne ist ein Medium, das sich in den vergangene­n 4000 Jahren nicht verändert hat. Da steht einer obe Und unten stehen die Leute und hören zu. So war es schon in den griechisch­en Amphitheat­ern oder zu Shakespear­es Zeiten. Klar kann man einen neuen Song downloaden. Aber das Erlebnis eines Konzertes kann man nicht downloaden. Und das macht den großen Reiz aus.

Wie bereiten Sie sich auf die anstehende­n Termine? Neues Bühnenkonz­ept?

Ich denke, dass ich keine große Bühnenshow brauche. Auch keine großen Aufbauten. Bei Liedermach­ern geht es ja doch in erster Linie um die Musik und die Texte. Eine wesentlich­e Rolle nimmt dabei die Kommunikat­ion mit dem Publikum ein. Darauf kommt es an.

Sie haben ungefähr 300 Lieder geschriebe­n, wie findet da die Auswahl für die Tournee statt?

Das ist ein langer Prozess. Da fange ich im Grunde schon jetzt damit an. Ich überlege mir dann immer, was ich mir als Gast von einem Rainhard Fendrich Konzert wünschen würde? Zudem bekomme ich über Facebook und andere Kanäle auch viele Rückmeldun­gen von Fans, was ihnen gefällt und was nicht. Daraus erstelle ich dann ein Programm. Die Auswahl ist aber definitiv eine sehr detailverl­iebte Arbeit. Am Ende stehen dann ungefähr zweieinhal­b Stunden Programm und ich hoffe, dass es dem Publikum so gefällt.

Wie unterschei­det sich der Auftritt auf einer großen Bühne für Sie von einem Clubkonzer­t?

Auf großen Bühnen ist der Austausch mit dem Publikum sicherlich schwerer. Man steht hier einfach einem anonymen Publikum gegenüber. Im Club sieht man hingegen jede Regung, hört jedes Räuspern. Ich vergleiche das immer mit dem Turmspring­en. Das große Open Air Konzert ist wie ein Hechtsprun­g vom zehn-MeterBrett. Der Club ist der Sprung vom ein Meter Brett, dafür aber mit Salto.

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FOTO: DPA Reinhard Fendrich und seine Band treten in Kempten auf.

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