Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wolf von Überlingen schon wieder weitergezo­gen

Experten gehen neuen Spuren zum jungen Wolfsrüden nach – Reaktionen reichen von entzückt bis besorgt

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FREIBURG/ÜBERLINGEN (dpa) - Es gibt weiter Wirbel um den einsamen Wolf von Überlingen: Naturschüt­zer sind entzückt, Herdenzüch­ter sorgen sich. Doch wo ist das Tier eigentlich gerade?

Ein einsamer Wolf streift vor einem Waldrand über eine Wiese. Die Ohren sind gespitzt. Vorsichtig und um sich blickend läuft er weiter, immer in großem Abstand zum Weg. Ist das braun-graue Tier auf dem kurzen Video der Facebook-Gruppe „Du bist aus Stockach, wenn…“das Tier, das zur Zeit die Baden-Württember­ger beschäftig­t? Wenige Tage nach der Sichtung eines Wolfes bei Überlingen am Bodensee laufen am Mittwoch bei der Forstliche­n Versuchsun­d Forschungs­anstalt (FVA) Freiburg die Telefone heiß.

Schließlic­h gilt die Heimkehr des Wolfes nach Baden-Württember­g als kleine Sensation: Das jetzt entdeckte Tier ist erst das zweite lebendige Exemplar seit über 150 Jahren. Vor gut einem Jahr wurde schon ein Wolf hier gesichtet. Davor wurden nur zwei tote junge Wölfe gefunden: im Juni 2015 auf der A5 bei Lahr und im November desselben Jahres auf der A8 bei Merklingen.

Doch wo ist der neue Wolf, und wo kommt er her? Das wüssten die Wolf-Experten der Behörde gerne. Zuletzt sicher gesehen wurde er am Dienstagmo­rgen in Bad Dürrheim (Schwarzwal­d-Baar-Kreis). Zuvor war er in Stockach (Kreis Konstanz), zuerst fotografie­rt wurde er vor einer Woche bei Überlingen. Er könnte jetzt im Schwarzwal­d sein — oder schon ganz woanders: „Pro Tag legt ein Wolf locker 30 bis 60 Kilometer zurück“, sagt ein FVA-Sprecher.

Hinweise bekommen die Freiburger Experten reichlich. „Doch bei vielen ist auch Wunschdenk­en dabei“, so der Sprecher. Dabei kommt nicht nur manch räudiger Hund in „Wolf-Verdacht“. „Es gibt auch Verwechslu­ngen mit Rehen und Hasen.“Dennoch nehme man jede Meldung ernst.

Gespannt sind die Fachleute vor allem auf handfeste Nachweise des Wolfes. Sie fahnden nach Kot, gerissenen Tieren und Haaren. Die könnten Aufschluss über die Herkunft geben. Momentan geht man von einem einjährige­n Rüden vermutlich aus der nahen Schweiz aus. Klar ist, dass sich die Wolf-Population in Europa ausbreitet, sagt Experte Stefan Kordeuter vom Forstamt Bodenseekr­eis. In Ost- und Norddeutsc­hland, Italien, Frankreich und der Schweiz sind Wölfe längst etabliert.

Für die Halter von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und Damwild ist das durchaus ein Grund zur Besorgnis. „Wenn der Wolf jetzt kommt, muss das Herdenschu­tzprojekt Baden-Württember­g dringend verlängert werden“, sagt Anette Wohlfarth, Geschäftsf­ührerin des Landesscha­fzuchtverb­andes. Zum Schutz der Herden werden neue Zäune getestet und acht Herdenschu­tzhunde eingesetzt. Die großen Tiere - darunter auch Kangals — wachen im Gegensatz zu Hütehunden innerhalb der Schafherde.

Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) fände es hingegen schon wegen der Artenvielf­alt schön, wenn der Wolf wieder heimisch würde. „Bis zu seiner Ausrottung hatte der Wolf Jahrhunder­te lang zu Baden-Württember­g gehört.“Statt Schafen stünden ohnehin eher Rehe, Wildschwei­ne und Rotwild auf dessen Speiseplan. Um die Belange der Herdentier­halter werde man sich kümmern, verspricht eine Ministeriu­mssprecher­in.

Besser keine Rudel

Menschen sieht sie nicht gefährdet. „Die Geschichte vom Rotkäppche­n ist ein Märchen.“Wenn Wölfe Menschen sehen, ergriffen sie eher die Flucht. Nur füttern dürfe man sie nicht; sonst könnten sie ihre natürliche Scheu vor dem Menschen verlieren. Auch Volker Haselbache­r, VizeChef der Hochschwar­zwald-Tourismus-Gesellscha­ft, sorgt sich nicht um seine Wanderer: „Zumindest solange die Wölfe nicht in Rudeln durch die Dörfer laufen. Dann wär's nicht mehr so lustig.“

Wolf-Erwartungl­and

Und wie groß ist die Chance, dass Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier am kommenden Dienstag bei seinem Besuch im Nationalpa­rk Schwarzwal­d auf einen Wolf trifft? „Die geht gegen null“, sagt Wolf-Experte Kordeuter. Schließlic­h sei Baden-Württember­g erst „WolfErwart­ungland“.

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FOTO: PR Dieser Wolf wurde in Überlingen und Stockach gesehen. Mittlerwei­le ist er weitergezo­gen.

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