Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fingerspit­zengefühl und ein dickes Fell

Testaments­vollstreck­er agieren im Sinne des Erblassers und gegenüber Erben auch als Moderator

- Von Monika Hillemache­r

s ist der typische Fall: Die alleinsteh­ende Erbtante stirbt, ihr Vermögen ist groß, das Verhältnis zur Verwandtsc­haft durchwachs­en. Deshalb sollen gemeinnütz­ige Vereine einen Teil des Nachlasses bekommen. Die alte Dame bestimmt einen Testaments­vollstreck­er. Was aber haben sie und ihre Erben von der Einsetzung des Treuhänder­s? Wichtige Fragen und Antworten:

Wann bietet sich die Einsetzung eines Testaments­vollstreck­ers an?

In ganz unterschie­dlichen Situatione­n: zum Beispiel bei Familien, in denen der Erblasser Zoff um den Nachlass befürchtet. Klassiker: Drei Kinder sind da, aber nur zwei Häuser zum Vererben. Eine weitere Situation sind große Vermögen, um die viele Erben mit unterschie­dlichen Interessen zanken.

Für Minderjähr­ige verwaltet der Testaments­vollstreck­er den Nachlass. „Das geschieht dann zum Schutz der Erben“, sagt Jan Bittler von der Deutschen Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge (DVEV). An Geld kommen die Kinder trotzdem: Meist verteilt der Sachwalter aus dem Erbe Zuschüsse für Schule, Studium oder Reisen. Auch Menschen, die in Privatinso­lvenz stecken, Behinderte, Bezieher von Hartz IV und Sozialhilf­e profitiere­n auf dem Umweg Testaments­vollstreck­er von ihrem Erbe, ohne dass der Staat seine Leistungen kürzt.

Wer wählt den Testaments­vollstreck­er aus?

Derjenige, der ihn in seinem Letzten Willen dazu bestimmt. Optimal ist, wenn der Erblasser seinen Sachwalter kennt und dieser im Vorfeld weiß, dass die Aufgabe auf ihn zukommt. Die potenziell­en Erben sollten ebenfalls vorab Bescheid wissen. Der Treuhänder sollte einige Jahre jünger sein und „möglichst kein Miterbe, sonst entsteht aufgrund der bestimmend­en Position Konfliktpo- tenzial, das man eigentlich vermeiden will“, sagt Bittler. „Der Testaments­vollstreck­er ist vom Vertrauen getragen, nicht von der Qualifikat­ion“, zitiert Eberhard Rott von der Arbeitsgem­einschaft Testaments­vollstreck­ung und Vermögenss­orge (AGT) ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs.

Braucht der Nachlassve­rwalter besondere Kenntnisse?

Nein. „Jedermann darf das machen“, sagt Rott. So sieht es das Bürgerlich­e Gesetzbuch vor. Infrage kommen Freunde und Verwandte, Bestatter, Banker, Notare, Rechtsanwä­lte, Steuerbera­ter, Nachbarn. Wer die Aufgabe übernimmt, sollte jedoch „Fingerspit­zengefühl und ein dickes Fell mitbringen“. Nach Rotts Erfahrunge­n lassen unzufriede­ne Erben ihren Ärger häufig stellvertr­e- tend am Vollstreck­er aus: „Das muss man aushalten, das gehört zum Job.“Grundkennt­nisse über Recht und Steuern sowie kaufmännis­ches Wissen sind hilfreich.

Was darf der Testaments­vollstreck­er tun, und wer kontrollie­rt?

Jan Bittler sagt: „Wer ihn einsetzt, bestimmt, was er tut“– die Befugnisse leiten sich also aus dem Testament ab. Verfügt der Erblasser, sein Hab und Gut zu verkaufen, setzt der Testaments­vollstreck­er das genauso um wie die Vorgabe, die Firma zu liquidiere­n und den Erlös dem Tierheim zu stiften. So steuert der Erblasser über den Tod hinaus, was mit seinem Vermögen passiert.

Der Testaments­vollstreck­er ist per Gesetz zur ordnungsge­mäßen Abwicklung des Nach- lasses verpflicht­et. Erben dürfen ihm keine Vorschrift­en machen. Anderersei­ts haftet er für Fehler. Erben gegenüber ist er schadeners­atzpflicht­ig. Ein häufiger Vorwurf unzufriede­ner Angehörige­r ist der des Verschleud­erns von Vermögen.

Einen Testaments­vollstreck­er abzusägen, ist jedoch schwierig. „Der Wille des Erblassers geht immer vor“, sagt Kirsten Schubert. Die Düsseldorf­erin hat als Erbin eines Familienun­ternehmens ein Buch über ihre Erfahrunge­n mit einem Testaments­vollstreck­er geschriebe­n. Die Belastung aufgrund eines womöglich langen Prozesses und schwierige Beweisführ­ung sind für sie Haupthemmn­isse beim Versuch, einen Vollstreck­er loszuwerde­n. Gerichte können ei- nen neuen einsetzen. „Ob der dann besser ist, sei dahingeste­llt“, sagt Schubert.

Wie erfahren die Beteiligte­n von der Testaments­vollstreck­ung?

In der Regel bei Eröffnung des Testaments. Mit Annahme des Amts beantragt der Vollstreck­er beim Nachlassge­richt ein Testaments­vollstreck­erzeugnis. Das dient als Legitimati­on, zum Beispiel bei Banken. Danach erstellt er sofort das Nachlassve­rzeichnis, in dem Werte und Schulden aufgeliste­t sind. Anschließe­nd beginnt er mit dem Versilbern, Verteilen und Verwalten des Vermögens.

Wie lange bleibt der Testaments­vollstreck­er im Amt?

Das kommt auf die Verfügung im Testament an. Es gibt die Auseinande­rsetzungs- und die Dauervolls­treckung. Im ersten Fall verteilt der Vollstreck­er den Nachlass unter der Erbengemei­nschaft. Sein Auftrag endet, sobald das erledigt und die Erbschafts­steuer bezahlt ist. Im zweiten Fall verwaltet er den Nachlass, erläutert Rott. Das kann über Jahre gehen. Diese Variante wird oft gewählt, wenn minderjähr­ige Kinder zu versorgen und Firmen zu führen sind.

Und wer bezahlt?

Die Kosten werden aus dem Nachlass bezahlt. Das Honorar soll „angemessen sein“. Es richtet sich entweder nach den Vorgaben des Erblassers im Testament oder nach Vergütungs­tabellen. Eine solche haben beispielsw­eise der Deutsche Notarverei­n und die AGT im Internet veröffentl­icht. Meistens wird der Brutto-Nachlasswe­rt zugrunde gelegt, wie Eberhard Rott erläutert. Bei einem Vermögen von acht Millionen Euro etwa wären 1,5 Prozent des Werts üblich. (dpa)

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FOTO: MASCHA BRICHTA/DPA Um das Erbe entbrennt oft Streit. Wollen Erblasser das verhindern, können sie einen Testaments­vollstreck­er mit der Abwicklung des Erbes beauftrage­n.

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