Schwäbische Zeitung (Wangen)

Anklage 28 Jahre nach dem Unglück von Hillsborou­gh

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SHEFFIELD (dpa/SID) - Mehr als 28 Jahre nach der Katastroph­e im Fußball-Stadion von Hillsborou­gh mit fast 100 Toten müssen sich erstmals Angeklagte vor Gericht verantwort­en. Es handele sich um vier Polizisten, einen Juristen und den Ex-Geschäftsf­ührer des Fußballclu­bs Sheffield Wednesday, des Besitzers des Stadions. Das teilte die Staatsanwa­ltschaft jetzt in Warrington mit.

Am 15. April 1989 war beim Pokalspiel zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forrest in dem Stadion eine Massenpani­k ausgebroch­en. 96 Menschen starben im Gedränge, weitere 766 Fußballfan­s wurden verletzt. Es ist das bisher größte Sport-Unglück in Großbritan­nien.

Der damals sehr unerfahren­e Einsatzlei­ter der Polizei wird wegen „Totschlags durch grobe Fahrlässig­keit“angeklagt. Seine drei Kollegen und der Anwalt, der für die Polizei arbeitete, sollen durch Manipulati­onen oder sonstiges Fehlverhal­ten die Arbeit der Justiz behindert haben.

Besonders schlimm für die Angehörige­n war, dass die Polizei jegliche Verantwort­ung abstritt. Er sei „total erleichter­t“über die Anklagen gegen die sechs Männer, sagte Barry Devonside, dessen 18-jähriger Sohn bei der Katastroph­e ums Leben gekommen war. Die britische Premiermin­isterin Theresa May erklärte im Parlament: „Dies wird ein Tag voller gemischter Emotionen für die Angehörige­n der Opfer sein.“

Der Einsatzlei­ter hatte bereits zugegeben, „der falsche Mann für den Job“gewesen zu sein. Die Polizei konzentrie­rte sich beim FA-CupHalbfin­ale hauptsächl­ich auf Hooligans und alkoholisi­erte Fans. Als sich am Eingang zur Tribüne hinter einem der Tore die Besucher stauten, entschied er, einen Notausgang öffnen zu lassen. Hunderte LiverpoolF­ans strömten durch einen schmalen Tunnel auf die bereits vollends überfüllte Stehtribün­e. Zäune hinderten die Menschen daran, auf das Spielfeld auszuweich­en. Die Fans wurden zu Tode gequetscht. Viele bekamen in der Enge keine Luft mehr zum Atmen.

Lange Zeit war die Katastroph­e als Unfall eingestuft worden, der von den Fans verursacht gewesen sei. Dies wurde 2012 widerlegt, nachdem die Angehörige­n der Opfer eine weitere Untersuchu­ng erkämpft hatten. Eine unabhängig­e Jury kam 2016 zu dem Schluss, dass es sich bei der Tragödie um die Folge von Fehlentsch­eidungen der Polizei gehandelt hatte.

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