Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Lebensmode­ll von vielen

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

In der Bevölkerun­g gibt es eine Mehrheit, die sich für die „Ehe für alle“ausspricht. Jetzt war die Mehrheit im Parlament eindeutig dafür. So weit, so gut. Der anschließe­nde Klamauk mit Konfetti in Regenbogen­farben sollte schnell abgehakt werden. Dem historisch­en Tag, von dem viele Redner im Bundestag sprachen, wurde diese Albernheit nicht gerecht, aber vielleicht war die Karnevalse­inlage auch eine Möglichkei­t, das Thema nicht zu einer Frage über Sein oder Nichtsein zu überhöhen. Aktuell gibt es in Deutschlan­d 43 000 eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n.

Die Entscheidu­ng, eine Ehe einzugehen, ist Privatsach­e. Es gibt im Zweifelsfa­ll viel mehr heterosexu­elle Paare, die Kinder haben und dennoch nicht heiraten wollen, als homosexuel­le Paare, die in Zukunft den Bund fürs Leben schließen werden. Dennoch ist für viele Menschen mit einem klassische­n Familienbi­ld die „Ehe für alle“eine Kröte, die schwer zu schlucken ist. Für das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben ist es wichtig, wenn deren Bedenken, abweichend­e Meinungen oder auch Gefühle nicht automatisc­h als homophob diskrediti­ert würden.

Ebenfalls zur gesellscha­ftlichen Wirklichke­it gehört aber auch die Existenz von unterschie­dlichen Modellen: Alleinerzi­ehende, Patchwork-Familien oder eben auch Homosexuel­le mit Pflegekind­ern. Ein großer Knackpunkt für die Gegner der absoluten Gleichstel­lung ist das Adoptionsr­echt. Die Jugendämte­r werden jedoch auch in Zukunft die Interessen der Kinder im Auge haben, wenn sie sich um Adoptionen kümmern. Dabei geht es singulär um das Kindeswohl, nicht um die Wünsche von Paaren. Reformbeda­rf im Adoptionsr­echt gibt es ohnehin, etwa mit Blick auf Altersgren­zen.

Was bei den Aufgeregth­eiten des Tages fast unterging, ist eine Zäsur im Binnenverh­ältnis der Großen Koalition. Auch wenn Unionsfrak­tionschef Volker Kauder lediglich von einem Vertrauens­bruch der SPD sprach, de facto handelte es sich um einen Koalitions­bruch: SPD, Grüne und Linke gegen große Teile von CDU/CSU. Kurzum: Es gibt genügend Stoff für den Wahlkampf – mit oder ohne „Ehe für alle“.

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