Schwäbische Zeitung (Wangen)

60 Jahre Bundesbank

Vertrauen in die Notenbank ist unveränder­t groß – Ihr Einfluss war allerdings schön größer

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Es gibt großen Auftrieb dieses Wochenende bei der Bundesbank, in der Zentrale, etwas am Rande der Stadt auf der Gemarkung, die „Diebsgrund“heißt, und auch in der Innenstadt, wo die Hauptverwa­ltung Hessen, die ehemalige Landeszent­ralbank, Zelte und Bühnen aufgebaut hat. Die Bundesbank wird 60 und feiert das mit einem „Tag der offenen Tür“. Ihre Vorstände werden interviewt, Vizepräsid­entin Claudia Buch etwa zum Thema: „Wie stabil ist das Finanzsyst­em?“

Das treibt die Bundesbank derzeit um. Einerseits, weil sie Teil der deutschen Bankenaufs­icht ist und die dabei verantwort­liche Behörde, die Bafin, „schleichen­des Gift“in den Bilanzen vieler Banken vermutet. Der negativen Zinsen wegen, die vor allem Banken mit hohen Spareinlag­en, die sie nicht als Kredit verkaufen können, bei der Europäisch­en Zentralban­k zahlen müssen.

Anderersei­ts, wegen der Stabilität des europäisch­en Bankensyst­ems, über die Bundesbank­präsident Jens Weidmann als Mitglied im Zentralban­krat der EZB mitzureden hat. Seine Haltung, wer Hilfe von anderen wolle, müsse auch deren Rat und Auflagen akzeptiere­n, findet dort, im EZB-Rat, und auch sonst in Europa wenig Widerhall.

Diese Woche kritisiert­e Weidmann Italien, das seine Defizitpol­itik nach allem anderen als nach den Maastricht­er Regeln steuert, auch Banken entgegen neuer europäisch­er Regeln auf Staatskost­en saniert: „Die Bereitscha­ft, Entscheidu­ngsbefugni­sse auf die europäisch­e Ebene zu verlagern oder sich auch nur von der Gemeinscha­ft reinreden zu lassen, sehe ich nicht“, sagte er in Stuttgart. „Deutlich wird dies nicht nur am Umgang mit den Haushaltsr­egeln, sondern auch an der Einhaltung der neuen Abwicklung­sprinzipie­n für Banken – gerade in den Ländern, die ein Mehr an Gemeinscha­ftshaftung fordern.“

Hort der Stabilität

Anders als sein Vorgänger Axel Weber, der 2011 letztlich frustriert hingeschmi­ssen und auch auf die mögliche Präsidents­chaft der EZB verzichtet hatte, gilt Weidmann als leiser, aber beständige­r Bohrer, als Mahner, der Niederlage­n im EZB-Rat hinnimmt, aber mit seiner Kritik danach von Neuem anfängt. Er ist auch zu differenzi­ertem Blick bereit: „Die umfangreic­hen Krisenmaßn­ahmen, die von der europäisch­en Politik und vom Eurosystem ergriffen wurden, haben zwar eine Eskalation der Krise verhindert“, sagte er an gleiche Stelle: „Dauerhaft stabil gemacht haben sie die Währungsun­ion aber nicht.“

Hatte man vor zehn Jahren, beim 50. Geburtstag der Bundesbank, den Eindruck, sie verliere ihre Bedeutung im Geflecht des Systems der europäisch­en Zentralban­ken unter Führung der EZB, gewinnt sie derzeit wieder an Kontur – und zwar mit einer Politik, die ihrer Tradition entspringt.

Im Juli 1957 wurde das Gesetz über die Deutsche Bundesbank verabschie­det. Am 1. August trat es in Kraft. Aus der „Bank deutscher Länder“wurde die Bundesbank – entstanden auch aus der Politik des Wirtschaft­sministers Ludwig Erhard. Der hatte den Deutschen nach dem Krieg immer wieder vor Augen gehalten, wie Inflation „eine gewachsene volks- und gesellscha­ftswirtsch­aftliche Struktur im Innersten zerstört, wie sie das Schiebertu­m gedeihen und die ehrliche Arbeit sinnlos werden lässt, wie sie das Vertrauen in die staatliche Ordnung zerstörte und Schwärmern und Scharlatan­en Auftrieb gab.“

Die Deutschen schätzten ihre Währung, die D-Mark. Und im Zweifel hielten sie es lieber mit der Notenbank als mit der Bundesregi­erung. Es gab viel Streit: Die Zinsen waren nach dem Geschmack aller Regierunge­n immer zu hoch. Der Goldschatz von gut 3400 Tonnen weckte Begehrlich­keiten. Doch die Öffentlich­keit stand meist nicht auf Seiten der gewählten Regierung, sondern der ernannten Bundesbank­spitze. Bundesbank­präsidente­n wie Karl-Otto Pöhl (1980 – 1991), Helmut Schlesinge­r (1991 – 1993) und der kürzlich verstorben­e Hans Tietmeyer (1993 – 1999) scheuten den Konflikt mit den jeweiligen Bundesregi­erungen nicht. Eine unabhängig­e Bundesbank war den Deutschen so wichtig, dass der frühere Präsident der EU-Kommission Jacques Delors stöhnen konnte: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank.“

Der Euro hätte eigentlich ein vergleichb­ares Vertrauen verdient. Er ist gar stabiler als die D-Mark es war. Seit seiner Einführung lag die durchschni­ttliche Inflations­rate in der Eurozone bis 2017 bei 1,7 Prozent pro Jahr. „Zu D-Mark-Zeiten war die Teuerung im Schnitt höher“, sagt Bundesbank­präsident Weidmann.

Aber er weiß auch, dass Preisstabi­lität nicht die einzige Voraussetz­ung für Stabilität in der Währungsun­ion ist. Ihn treiben vor allem die massiven Aufkäufe von Staatsanle­ihen durch die EZB um. Sie machten die Zentralban­k zum Gläubiger der Staaten. Und das könnte die Unabhängig­keit der Notenbank infrage stellen.

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FOTO: DPA Die Nähe täuscht: Zwischen der Zentrale der Bundesbank und dem Neubau der Europäisch­en Zentralban­k (Hintergrun­d) liegen sowohl räumlich wie auch geldpoliti­sch deutlich größere Distanzen.

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