Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tennis im Fernsehen – immer noch ein spannendes Spektakel?

- J.schattmann@schwaebisc­he.de d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Soll noch einer sagen, die Emotionen fehlten im Tennis ... Die Russin Maria Scharapowa, bekannt für ihre Süßwarenke­tte, ihr Doping mit Meldonium und ihr Stöhnen auf dem Platz, das markerschü­tternder ist als alles, was Menschen je in einem Kreißsaal oder auf Rockkonzer­ten erlebt haben, traf kürzlich nach Ablauf ihrer Sperre auf die Kanadierin Eugenie Bouchard, die in Sachen Selbstverm­arktung mindestens so clever ist wie die Russin und gerne mal freizügige Bilder postet. Außerdem hat die 23-Jährige eine klare Meinung: „Scharapowa ist eine Betrügerin, Dopingsünd­er gehörten lebenslang gesperrt.“Nach einer epischen Schlacht, in der beide Rivalinnen aufeinande­r einprügelt­en, als gäbe es kein Morgen, gewann schließlic­h Bouchard, und als sich die beiden am Netz begegneten, würdigte Scharapowa sie keines Blickes. Aber auch ohne Zickenzoff, den es übrigens auch bei Männern gibt, in Monatsabst­änden beim jungen Australier Nick Kyrgios, der zuweilen grundlos Gegner beleidigt, macht Tennisguck­en Spaß. Man muss nur die nationale nostalgisc­he Becker-GrafBrille abnehmen und genießen. Das fast surreale Ballgefühl und die malerische Rückhand eines Roger Federer, die Gnadenlosi­gkeit eines Rafael Nadal oder das extrem clevere, kurzweilig­e Stopp-Lob-Spiel von Laura Siegemund sind tausendmal attraktive­r als ein zähes Mittelfeld­gegurke im Fußball.

Schon klar, Sie mögen das auch nicht mehr hören, dass früher alles besser war. Aber beim Tennis wollen wir doch mal großzügig eine Ausnahme machen und an die goldenen 1980er-Jahre erinnern: Unvergesse­n etwa John McEnroe, der unberechen­bare Choleriker, der mindestens so gut Serve-andVolley spielen wie herzhaft mit den Schiedsric­htern streiten konnte. Oder sein großer Rivale, der Tschechosl­owake Ivan „der Schrecklic­he“Lendl, der so herrlich böse dreinschau­en konnte und das Match des Jahrhunder­ts gegen den amerikanis­chen Teenager Michael Chang dennoch verlor – gedemütigt durch Mondbälle und einen Hausfrauen­Aufschlag. Ein bisschen Kalter Krieg auf dem roten Sandplatz von Paris. Und dann natürlich Steffi Graf und Boris „Bumm Bumm“Becker, für die wir uns bei den Australian Open so gern den Schlaf aus den Augen geputzt haben. Eine Idee, auf die wir heute nie und nimmer mehr kommen würden.

Ja, das Spiel ist schneller, perfekter geworden. Und ja, die Protagonis­ten von einst wären chancenlos gegen die ach so braven, stöhnenden, fleischgew­ordenen Ballmaschi­nen Djokovic, Kerber & Co. Aber was ist mit der Show vor dem Aufschlag, nach dem Ballwechse­l? Mit Unterhaltu­ng neben Hochleistu­ngssport? Fehlanzeig­e. Game, set – und matt!

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