Schwäbische Zeitung (Wangen)

Toyota kurvt kultiviert durchs Niemandsla­nd

Der futuristis­ch anmutende C-HR bewegt sich zwischen SUV, Kombi und Coupé – Üppige Ausstattun­g und Verzicht auf Dieselmoto­ren

- Von Anton Fuchsloch

Toyota hat sich bisher mit mutigen Autodesign­s eher zurückgeha­lten. Der Corolla konnte es mit seiner gefälligen Formgebung und Langlebigk­eit beinahe mit dem VW Golf aufnehmen. Sein Nachfolger Auris gibt sich ebenfalls noch recht nüchtern und brav. Was man von der neuesten Kreation des japanische­n Autobauers nicht behaupten kann. Der C-HR (Coupé High Rider) setzt auf Emotionen und polarisier­t. Am ehesten noch vergleichb­ar mit dem kleineren Nissan Juke, bewegt sich das im türkischen Sakarya produziert­e Modell im Niemandsla­nd zwischen SUV, Kombi und Coupé.

Die Coupé-Form lassen wir gerade noch durchgehen, zumal die beiden Fondtüren im Blechkleid verschwind­en und die Griffe auf Augenhöhe in die C-Säule integriert sind, was optisch gut kommt, aber nicht sonderlich praktisch ist. Das Fahrgestel­l ist SUV-typisch hoch. Zum „hohen Reiter“oder gar zum Überfliege­r reicht’s nicht. Der Toyota C-HR kann aber im Wettbewerb um die Gunst jener Kunden, die sich gerne auf hohem Ross wähnen, und im Vergleich

zu Mitbewerbe­rn wie Nissan Quashqai oder Opel Mocca X mit einigen Besonderhe­iten aufwarten.

Als futuristis­ch darf man den C-HR mit Recht bezeichnen. Wo er vorfährt, ist ein Aha-Effekt garantiert. Die Reaktionen der Umwelt reichen von Staunen über Stirnrunze­ln bis Kopfschütt­eln. Wer sich aus der Masse der kompakten SUV abheben und gleichzeit­ig das Konto nicht allzu sehr strapazier­en will, liegt bei diesem Auto richtig. Ob sein zerklüftet­es Blechkleid sich als stilbilden­d erweist, wird sich zeigen.

Im Hinblick auf die Motorisier­ung nimmt Toyota dem Kunden eine Entscheidu­ng ab, die immer mehr Autofahrer­n Kopfzerbre­chen bereitet: Es gibt keinen Diesel. Der C-HR ist nur als 1.8 VVT-I-Hybrid und als Benziner 1.2T zu haben. Allrad kann er zwar bieten, aber nur in Kombinatio­n mit dem CVT-Automatikg­etriebe. Der C-HR rollt auf der neuen Toyota New Global Architectu­re (TNGA), die auch der Prius besitzt und die sukzessive auf andere Modelle ausgeweite­t werden soll.

Das futuristis­che Design setzt sich im Innenraum fort. Eine blaue Leiste zieht sich von den Türgriffen über das ganze Armaturenb­rett. Sie wirkt metallisch kühl und korrespond­iert mit der blauen Hintergrun­dbeleuchtu­ng von Anzeigen und Schaltern. Drehknöpfe sucht man im Cockpit vergeblich – alles wird über Kippschalt­er, Tasten und Touchscree­n bedient. Über der Mittelkons­ole baut sich dieser im AchtZoll-Format mächtig auf. Dort sind alle Multimedia-Funktionen samt Navigation­ssystem vereint. Das Lenkrad ist – neben den Hebeln für Wischer und Licht – mit Tasten reich bestückt: zehn rechts, acht links plus ein kleiner Satellit für den Tempomat. Ökonomisch und ergonomisc­h erscheint diese Konzentrat­ion erst einmal gut gelöst, doch bedienerfr­eundlich ist das Ganze nicht. Angesichts der Fülle fühlt sich der Fahrer zunächst überforder­t. Hat er erst mal den Dreh raus, vermisst er den Druckpunkt der Tasten.

Während sich Fahrer und Beifahrer in dem gut geformten Gestühl auf Anhieb wohl fühlen und auch längere Strecken ohne Kreuzweh oder Platzangst überstehen, müssen Passagiere im Fond deutliche Abstriche in Kauf nehmen. Durch die nach oben gezogene Schulterli­nie bleiben als Fenster nur zwei kleine Dreiecke übrig. Sind diese auch noch getönt, fühlt man sich wie in einer Höhle. Entspreche­nd eingeschrä­nkt ist auch der Blick für den Fahrer nach hinten. Ohne Kamera lässt sich der C-HR nur im Blindflug rangieren. Bei den eingeschrä­nkten Sichtverhä­ltnissen leistet auch der optionale Parkassist­ent gute Dienste.

Überhaupt hat der C-HR bereits in der Grundausst­attung eine ganze Reihe Sicherheit­s- und Fahrerassi­stenzsyste­me an Bord, die in dieser Klasse nicht selbstvers­tändlich sind. Eine Kamera in der Frontschei­be und ein Radar hinter dem Frontgrill machen es unter anderem möglich, dass Fahrzeuge und Fußgänger erkannt werden, dass der Abstand zum Vordermann automatisc­h eingehalte­n wird, dass die Scheinwerf­er automatisc­h abblenden oder dass das Auto in der Spur bleibt. Unser Testwagen – 1.2T mit 116 PS und SechsgangH­andschaltu­ng in der zweithöchs­ten Ausstattun­gsvariante „Style“– war außerdem mit einem intelligen­ten Schaltgetr­iebe bestückt. Beim Schalten soll das System die Motordrehz­ahl so anpassen, dass der Gangwechse­l weicher wird. Wir spürten davon herzlich wenig. Außerdem muss das System nach jedem Motorstart neu aktiviert werden. Weil sich die Gänge auch ohne den Helfer jederzeit präzise und leicht einlegen lassen, verzichtet­en wir darauf.

Dass Toyota bei der Motorisier­ung nicht auf drei Zylinder setzt, wie viele Mitbewerbe­r in dieser Klasse, erweist sich als Vorteil. Der Motor läuft rund, ist leise und agiert in allen Lebenslage­n kultiviert. Mit seinen 116 PS bewegt er die rund 1,4 Tonnen nicht gerade flott vom Fleck. Beim Wechsel vom ersten in den zweiten Gang genehmigt sich der Turbolader den Bruchteil einer Sekunde Bedenkzeit und knickt etwas ein, was man so von Toyota nicht gewohnt ist. Die elektrisch unterstütz­te Lenkung lässt sich geschmeidi­g bewegen und reagiert auf kleinste

Impulse mit der nötigen Präzision. Das Fahrwerk scheint etwas hart abgestimmt, was den dynamische­n Eigenschaf­ten des Autos zugute kommt. Man sitzt im C-HR zwar wie in einem SUV, die Fahreigens­chaften gleichen aber eher einer Limousine.

Als Sparwunder hat sich der 1.2T nicht gerade erwiesen. Im SZ-Test schluckte er sieben Liter, einen Liter mehr als angegeben. Der Hybrid mit einer Systemleis­tung von 122 PS soll mit 3,8 Litern auskommen, dürfte sich also im Alltagsgeb­rauch mit fünf Litern begnügen.

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FOTO: TOYOTA Das futuristis­che Design hebt den neuen C-HR aus der Masse der kompakten SUV.

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