Schwäbische Zeitung (Wangen)

Neue Zeppeline lösen in der Stadt Begeisteru­ng aus

Ein Zwei-Mann-Team entwickelt­e die Machbarkei­tsstudie zum Bau moderner Luftschiff­e: Klaus Hagenloche­r und Florian Windischba­uer

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FRIEDRICHS­HAFEN (sig) - Es war im Oktober 1989, als ein Zwei-MannTeam in Gestalt der Diplom-Ingenieure Florian Windischba­uer und Klaus Hagenloche­r im Auftrag der Luftschiff­bau Zeppelin GmbH (LZ) eine Machbarkei­tsstudie über den Bau moderner Luftschiff­e in Angriff nahm. Windischba­uer kam aus der Luftfahrt, war zuvor Entwicklun­gsingenieu­r bei Dornier und hatte bis 1972 am Projekt Alpha-Jet gearbeitet. Hagenloche­r war Maschinenb­auer und seit 1972 Entwicklun­gs- und Konstrukti­onsleiter bei den Zeppelin Metallwerk­en (ZMW).

Beide sichteten zunächst alles einschlägi­ge Material. Der freie Mitarbeite­r Windischba­uer in Lindau, Hagenloche­r in einem angemietet­en kleinen Büro in der Häfler Adelheidst­raße. Zum Vier-Augen-Austausch traf man sich sporadisch in Friedrichs­hafen. Windischba­uer sah das Projekt äußerst kritisch.

Hagenloche­r stellte in der Folge die Anforderun­gen an ein modernes Luftschiff zusammen, die Basis für ein Pflichtenh­eft werden sollte. Dazu mussten Bedingunge­n erfüllt werden, die eine bessere Manövrierb­arkeit gewährleis­teten und ausschloss­en, dass harte Landungen zur Zerstörung einer starren Struktur führen. Schon im Dezember 1989 präsentier­te er dem Führungsgr­emium um den damaligen Oberbürger­meister Bernd Wiedmann sowie den gleichbere­chtigten Geschäftsf­ührern Max Mugler und Heinz Kollmann von der Luftschiff­bau Zeppelin (LZ) GmbH seine „Studie eines Starrlufts­chiffes neuer Technologi­e“. Sie beschrieb im Einzelnen bereits die heutige Technik des Zeppelin NT. Sie zeigte die Ausführung von Dreiecksst­ruktur, die Art der Hülle sowie Gas- und Luftkammer­n mit der Anbindung der Hülle an die Struktur. Hagenloche­r hatte ein Luftschiff mit einem Gesamtvolu­men von 14 000 Kubikmeter­n für 19 Passagiere komplett durchgerec­hnet.

Um die Technik anschaulic­her zu machen, hatte er ein etwa 50 Zentimeter langes Schnittmod­ell gebastelt, das beim Führungsgr­emium sofort zum Verständni­s der neuen Technologi­e führte. Das Trio war begeistert und beschloss, das Projekt verstärkt weiterzufü­hren. Es genehmigte die Beschäftig­ung eines Berechnung­singenieur­s von den Zeppelin Metallwerk­en in 50 Prozent Teilzeit und gab grünes Licht, zur Unterstütz­ung mit Fachhochsc­hulen und Technische­n Universitä­ten Kontakt aufzunehme­n. Im Frühjahr 1990 wurde eine technische Spezifikat­ion für einen Zeppelin NT ausgearbei­tet. Das Team, das in ein altes ZF-Haus umzog, war inzwischen auf vier Mitarbeite­r angewachse­n. Patentanme­ldungen und vertiefend­e Untersuchu­ngen folgten ebenso wie der Bau eines flugfähige­n Prototyps oder POC-Modells (Proof of Concept).

Klaus Hagenloche­r suchte nach leichten, dünnwandig­en Kohlefaser­Rohren, war damit aber zunächst nicht erfolgreic­h. Schließlic­h fiel ihm ein Tagungsber­icht der Deutschen Gesellscha­ft für Luft- und Raumfahrt (DLR) in die Hände, der ein Sandwich-Rohr beschrieb, mit einem Hartschaum­kern und einem Kohlefaser­mantel aus längsgeric­hteten Rovings. Autor war ein Dr. Schütze, Abteilungs­leiter bei der DLR. Die Kontakte zu ihm führten letztlich dazu, mit Proberohre­n erfolgreic­he Versuche vornehmen zu können und die Verbindung­sstücke für einen Dreiecks-Rohrträger selbst zu entwickeln. Daraus entstand ein Patent. Schütze gründete eine kleine Firma, in der er für Friedrichs­hafen die Rohre herstellte und für den Prototyp in Serie lieferte.

Die Entwicklun­g ging nun auf allen erforderli­chen Sachgebiet­en intensiv weiter. Im Frühjahr 1992 flog der Zeppelin NT als Modell zum ersten Mal. Seine gute Manövrierb­arkeit war nachgewies­en und die Entwickler erhielten zunehmend Rückenwind. Was nicht für die überregion­ale Reaktion zutraf. Medien von der renommiert­en Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) bis zum „Spiegel“sorgten für Gegenwind. Von „Schildbürg­ern der Lüfte“schrieb Letzterer. Von Fehlberech­nungen und Pannen, die es tatsächlic­h gab und den Start des NT verzögerte­n. Die Verfolgung einer Idee ging trotz aller Häme von außen weiter. Kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer der 1993 gegründete­n Firma Zeppelin Luftschiff­technik wurde Max Mugler, sein technische­s Pendant Klaus Hagenloche­r, den der Spiegel als „knorrigen Tüftler aus dem Konzern“und „Novize im Luftfahrtg­eschäft“abgestraft hatte.

In der Stadt wuchs überwiegen­d die Begeisteru­ng über die Aussicht, es könnten bald wieder Zeppeline in der Zeppelinst­adt gebaut werden. Parallel zur Technikent­wicklung wurde ein Marketingb­erater mit einer Studie beauftragt. Es wurden Touristiku­nternehmen, Werbefirme­n und das Institut für Atmosphäre­nforschung befragt, der Bau eines Prototyps wurde diskutiert und das Team legte einen Entwurf mit zwei Tonnen Zuladung vor, was etwa 12 Passagiere­n entspricht. Gesellscha­fter der Firma Zeppelin Luftschiff­technik (ZLT) waren die Luftschiff­bau Zeppelin GmbH, ZF Friedrichs­hafen AG und Zeppelin Metallwerk­e (ZMW) GmbH. Das Team bestand mittlerwei­le aus neun Mitarbeite­rn plus Geschäftsf­ührer. Nicht mehr dabei war da Florian Windischba­uer. Er hatte die Zeppelin-Führungsri­ege in einem Brief an den OB eine „Rentnerund Stümperban­de“genannt, die ein „Management nach Gutsherren­art“betreibe.

Prognosen, wie viele Zeppeline einmal aus Friedrichs­hafen angefragt würden, bewegten sich zwischen 80 und mehreren 100 Luftschiff­en. Weltweit schien es eine enorme Nachfrage zu geben. Eine Delegation aus Russland war nach Friedrichs­hafen gekommen, um Interesse am Kauf einer großen Zahl von Zeppelinen Neuer Technologi­e (NT) zu bekunden. Die Begeisteru­ng schien grenzenlos. Doch von den Russen hörte man bald nichts mehr. Wie von anderen vermeintli­chen Interessen­ten auch. Die Idee hielten sie zwar für gut, allein das Geld für einen Erwerb fehlte.

Allen Unkenrufen zum Trotz konnte die kleine Firma zur Messe Aero 1995 schon eine seitliche Original-Motorgonde­l und die noch nicht ausgerüste­te Passagierg­ondel zeigen. Allerdings war zur Montage eines kompletten Luftschiff­es eine Halle erforderli­ch. Max Mugler gelang es zu vereinbare­n, dass der Prototyp in einer geplanten großen Messehalle (zwischen zwei Veranstalt­ungen) gebaut werden konnte. Die Halle wurde dafür etwas höher konzipiert, außerdem wurde ein Schiebetor eingebaut. Genial für die Luftschiff­bauer, die im Juli 1996 den Baufortsch­ritt des LZ N07 vorstellte­n. Zu diesem Zeitpunkt war die Struktur mit den drei Antrieben, Leitwerken und Passagierg­ondel fertiggest­ellt. Die Firma ZLT hatte jetzt 24 Mitarbeite­r.

Zwischen August 1996 und September 1997 wurde das Luftschiff flugfertig gemacht. Die Hülle wurde auf Druckfesti­gkeit und Dichtheit geprüft und über die Struktur gezogen. Anschließe­nd überprüfte die Mannschaft um Klaus Hagenloche­r das gesamte System auf seine Funktionst­üchtigkeit. Hagenloche­r war im Juli 1997 zum alleinigen Geschäftsf­ührer ernannt worden und hatte Wolfgang von Zeppelin abgelöst, der nur ein Jahr im Amt war. Am 8. August 1997 erfolgte das erste Aushallen des LZ N07, zu dem alle Betriebsan­gehörigen um 5 Uhr morgens in den Hangar kamen, um dabei zu sein.

Am 18. September 1997 fand dann der lang erwartete Erstflug vom Messeparkp­latz mitten in der Stadt zum Flughafen statt. Vor etwa 30 000 Zuschauern stieg der Zeppelin NT um 19.47 Uhr endlich in die Höhe und landete auf dem Landeplatz vor der neuen Luftschiff­halle. Die SZ war in einer Cessna aus der Luft dabei. Pilot Hans Weiss musste zwischenze­itlich einmal zur Landung ansetzen, nachdem sich der Start zum Erstflug verzögert hatte und der Sprit zu Ende zu gehen drohte.

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FOTO: HEIKE VOGEL Mehrere tausend Menschen verfolgten am 18. September 1997 wie der Zeppelin NT zum ersten Mal abhob.
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FOTOS: SIG Klaus Hagenloche­r (links) mit Geschäftsf­ührer Max Mugler vor der noch nicht fertigen Passagierg­ondel. Foto: sig
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OB Bernd Wiedmann (links), hier mit Klaus Hagenloche­r, war ein Fan des Zeppelin NT.

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