Der Kampf um die Mitte
In der Mitte ist es am sichersten. Sowohl SPD als auch die Union holen in ihren Wahlprogrammen nicht weit nach links oder rechts aus, sie wollen niemanden verschrecken und viele mitnehmen. Unterschiede sind zwar erkennbar, aber sie sind nicht sehr groß. Und wenn FDPChef Christian Lindner meint, dem Unions-Programm fehlten Esprit und Mut, hat er recht. Dafür aber ist es recht solide.
Die Union will die Bürger um den gleichen Betrag entlasten wie die SPD. Doch die Sozialdemokraten streben etwas mehr Umverteilung von oben nach unten an und wollen den Soli schneller abschaffen. Die Union verteilt mehr mit der Gießkanne an alle, auch an höhere Einkommen, ist aber vorsichtiger beim Thema Soli und bescheidener beim Thema Rente. Sie meint, dass derzeit mit den Renten alles bestens geregelt ist. Diese Ansage ist angesichts sinkender Renten nicht ausreichend.
Die Union will das Kindergeld für alle erhöhen, das wird viele Eltern freuen. Die Aufstockung um 15 000 Polizisten ist dagegen eine Mogelpackung, weil sie ja für Bund und Länder geplant ist. Gleiches gilt für die Ganztagsbetreuung, die ebenfalls von den Ländern zu bezahlen ist, sowie für das Versprechen auf Freibeträge für Eltern und Kinder bei der Grunderwerbsteuer. Neu und richtig ist, dass die Union sich für ein Einwanderungsgesetz öffnet, damit die Wirtschaft Fachkräfte nach Deutschland holen kann.
Die Harmonie zwischen CDU und CSU ist derzeit nicht zu erschüttern, das wurde bereits deutlich, als das Murren über Merkels Vorgehen bei der Homo-Ehe eher einem dezenten Raunen als einem Entrüstungssturm gleichkam.
Weder CDU noch CSU haben Interesse, ihren guten Lauf derzeit zu stören. Nicht umsonst heißt das Wahlprogramm der Union gleich „Regierungsprogramm“. Die Union ist sich ziemlich sicher, die Mitte gut besetzt zu haben. Und ohnehin sei dem Land nicht nach Klassenkampf zumute, freut man sich in der Union. Vielleicht ist deshalb ein gewisser Trägheitsmoment im Programm erkennbar.