Schwäbische Zeitung (Wangen)

92-Jährige wäre fast dem „Enkeltrick“aufgesesse­n

Weißenauer­in stand schon mit all ihren Sparbücher­n in der Bank – Thema ist bei der Polizei „brandheiß“

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Eine 92-jährige Weißenauer­in ist haarscharf an einem Betrug vorbeigesc­hrammt. Fast wäre sie dem berühmt-berüchtigt­en „Enkeltrick“aufgesesse­n: Eine Anruferin hatte sich als ihre Enkelin Antje ausgegeben, die anscheinen­d unbedingt und auf der Stelle 45 000 Euro braucht. Schon hatte die alte Dame daraufhin ihre Sparbücher eingepackt und war zur Sparkasse marschiert. Weil eine Bankangest­ellte den Braten aber gerochen hat, ist das Ganze nochmal gut ausgegange­n.

Die Sparkassen­mitarbeite­rin, der es spanisch vorkam, dass die 92-Jährige von jetzt auf nacher all ihr Geld abheben wollte, handelte geistesgeg­enwärtig und rief zunächst deren richtige Enkelin an. Als sie diese nicht erreichte, versuchte sie es bei der Tochter. Die ihr umgehend zu verstehen gab, sie solle das Geld nicht herausgebe­n. Und sofort zu ihrer Mutter nach Weißenau fuhr. Kaum ist die 61-Jährige dort eingetroff­en, klingelt das Telefon und die vermeintli­che Enkelin erkundigt sich, ob die „Oma“denn das Geld nun da habe. „Sie hat noch ein paar Mal angerufen und Druck gemacht, aber wir haben dann einfach aufgelegt“, berichtet die 61-Jährige.

Polizei: Fast täglich einen Fall

Stattdesse­n kontaktier­te sie die Ravensburg­er Polizei, um zu berichten, was vorgefalle­n war: Eine Dame mit ostdeutsch­em Akzent hatte die 92jährige Weißenauer­in mit „Hallo Oma“begrüßt, als diese den Telefonhör­er abnahm. Da sie nur eine Enkelin hat, reagierte die 92-Jährige, deren Mann schwer krank ist, genau verkehrt und fragte zurück: „Antje, bist du’s?“„Ja“, kam es prompt vom anderen Ende der Leitung. Sie sei in einer Notlage, fuhrt die vermeintli­che Antje fort. Ob die Oma ihr helfen könne? „Natürlich helf ’ ich Dir.“Weil eine Wohnung günstig zum Verkauf stehe, bräuchte sie sofort 45 000 Euro. „Aber niemand darf davon wissen“, appelliert­e die Anruferin an die 92-Jährige.

Obschon die Polizei immer wieder vor derlei Betrügern warnt, häufen sich die „Enkeltrick“-Fälle in der Region: Mindestens jede Woche, „wenn nicht täglich“, haben die Beamten damit zu tun, berichtet Jens Purath, Pressespre­cher im Polizeiprä­sidium Konstanz. „Das Thema ist bei uns brandheiß, die Täter werden immer findiger – daher sind die Beamten extrem sensibilis­iert“, so Purath weiter.

Vorsicht in den Ferien

In der Regel werde der Sachverhal­t aufgenomme­n und an die Kripo weitergele­itet. Sind Geldforder­ungen im Spiel, werden gegebenenf­alls sofort entspreche­nde Maßnahmen eingeleite­t, um den Betrügern auf die Schliche zu kommen, ehe sie Schaden anrichten konnten. In jedem Fall kann, wer von falschen Enkeln angerufen und bedrängt wird, eine Anzeige erstatten.

Augenschei­nlich, so die Beobachtun­g der Polizei, legen diese immer wieder Pausen ein – um insbesonde­re ältere Menschen dann erneut zu belästigen: Der „Enkeltrick“komme „in Wellen“, erläutert Purath. Besondere Vorsicht ist während der Ferien geboten, weil die Betrüger sich dann offenbar bessere Chancen ausrechnen.

Denn: Im Sommer sind viele Menschen im Urlaub – möglicherw­eise auch die Enkel der Opfer. Und so kann man plausibler die Geschichte verkaufen, dass man irgendwo auf der Welt ausgeraubt wurde und unbedingt sofort Geld von der Oma oder dem Opa braucht...

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