Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nicht nur für Mädchen

Lucas van Rensburg aus Coburg ist 13 Jahre alt – und hat eine große Leidenscha­ft fürs Ballett

- Von Adriane Lochner

COBURG/DRESDEN (dpa) - Tendu, Plié, Sauté – Strecken, Beugen, Springen: Lucas schwitzt. Die typischen Ballett-Posen erfordern Körperspan­nung, Kraft und Konzentrat­ion. Was für den Zuschauer so elegant aussieht, ist das Resultat harter Übung. Der 13 Jahre alte Coburger trainiert mehrmals pro Woche im Ballett-Studio am Ketschento­r. Als einziger Junge von zehn Mädchen dreht er dort selbstbewu­sst seine Pirouetten.

Lucas’ Lebenstrau­m scheint für einen Buben eher ungewöhnli­ch. Denn er will profession­eller, klassische­r Balletttän­zer werden: „Am Ballett begeistert mich, dass man zeigen kann, wie man sich fühlt. Wenn ich tanze, fühle ich mich frei.“

Tanzgefühl hat er geerbt

Auf das Tanzen gekommen ist Lucas durch seine Mutter, die Ballett-Pädagogin und Tänzerin Manuela Mazzei. „Ich habe ihr beim Tanzen zugesehen und war fasziniert“, sagt Lucas. Bereits mit sechs Jahren habe er den Entschluss gefasst, selbst Balletttän­zer zu werden. Das stieß im Freundeskr­eis zunächst auf Spott. Schließlic­h hat Ballett den Ruf, ein Mädchenspo­rt zu sein.

Lucas ließ sich nicht beirren. Er trainierte unermüdlic­h und feierte einen Erfolg nach dem anderen. „Mittlerwei­le sind meine Freunde stolz auf mich“, sagt Lucas. Bühnenerfa­hrung sammelte er unter anderem am Landesthea­ter Coburg, wo er bereits mit acht Jahren schon beim „Nussknacke­r“mittanzte. Weitere Auftritte folgten, etwa in der Musical-Oper „Alice im Wunderland“und im aktuellen Stück „Anything Goes“.

„Der Junge ist tänzerisch begabt. Er hat musikalisc­hen Rhythmus, Körperkoor­dination und eine unglaublic­he Bühnenpräs­enz“, sagt Helga Kleist, Leiterin der Ballettsch­ule. In den vergangene­n Jahren habe sich Lucas großartig entwickelt. Doch ihre Schule sei nun mal eine Hobbyschul­e.

Sie ist überzeugt: „Lucas muss von Profis trainiert werden, damit sein Talent ausgeschöp­ft wird.“Ab August wird Lucas deshalb die Palucca Hochschule für Tanz in Dresden besuchen, eines der renommiert­esten Ausbildung­sinstitute für künstleris­chen Bühnentanz in Deutschlan­d. Dann wird sich Lucas’ Leben grundlegen­d verändern. Er wird nicht mehr der Hahn im Korb sein, denn das Verhältnis von Jungen zu Mädchen ist dort relativ ausgeglich­en. „Das Bild vom Ballett als Mädchenspo­rt ist mittlerwei­le veraltet. Die Rolle des Tänzers ist heute eine andere, ebenso die Ansprüche an die Ausbildung“, so Katharine Schwarzer, Sprecherin der Hochschule.

Echter Leistungss­portler

Die körperlich­en Anforderun­gen seien vergleichb­ar mit denen eines Leistungss­portlers. Profession­eller Ballett-Unterricht findet für weibliche und männliche Tänzer getrennt statt. Während Mädchen vor allem den Spitzentan­z trainieren, stehen bei Jungen die kraftaufwe­ndigeren Sprünge und Hebefigure­n im Vordergrun­d.

Parallel zum Tanz wird Lucas eine ganz normale Schulausbi­ldung absolviere­n. Die staatliche Hochschule verfügt über eine integriert­e Sekundarst­ufe. Ziel ist der Oberstufen­abschluss in der 10. Klasse, vergleichb­ar mit einem Realschula­bschluss. Der Stundenpla­n ist stramm, täglich zwischen 8.00 und 17.30 Uhr ist Unterricht. Zu den herkömmlic­hen Unterricht­sfächern wie Mathematik und Deutsch gesellen sich wöchentlic­h zehn Stunden Klassische­r Tanz, fünf bis sechs Stunden Zeitgenöss­ischer Tanz und Folklore sowie Unterricht in Improvisat­ion.

Mit bestandene­m Schulabsch­luss haben die Jugendlich­en die Möglichkei­t, den „Bachelor of Arts“im Rahmen eines dreijährig­en Studiums mit reiner Tanzausbil­dung zu erwerben. Wer es schafft, sich erfolgreic­h durch die harte Lehrzeit zu kämpfen, den erwarten rosige Aussichten. Pressespre­cherin Schwarzer betont: Durchschni­ttlich hätten neun von zehn Absolvente­n bereits zu Studienabs­chluss ein Engagement.

Lucas’ großes Vorbild ist der New Yorker Ballett-Star und Schauspiel­er Michail Baryschnik­ow. Der erlangte vor allem in den 1970er- und 1980erJahr­en internatio­nalen Ruhm und gilt bis heute als einer der besten Tänzer. Ihm will Lucas nacheifern. Dafür muss er bereits jetzt Opfer bringen. Sportarten, die er auch mag, Basketball etwa, muss er aufgeben. Das Verletzung­srisiko ist zu hoch.

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FOTO: DPA Ein Junge unter vielen Mädchen: Lucas an der Stange.

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