Nicht nur für Mädchen
Lucas van Rensburg aus Coburg ist 13 Jahre alt – und hat eine große Leidenschaft fürs Ballett
COBURG/DRESDEN (dpa) - Tendu, Plié, Sauté – Strecken, Beugen, Springen: Lucas schwitzt. Die typischen Ballett-Posen erfordern Körperspannung, Kraft und Konzentration. Was für den Zuschauer so elegant aussieht, ist das Resultat harter Übung. Der 13 Jahre alte Coburger trainiert mehrmals pro Woche im Ballett-Studio am Ketschentor. Als einziger Junge von zehn Mädchen dreht er dort selbstbewusst seine Pirouetten.
Lucas’ Lebenstraum scheint für einen Buben eher ungewöhnlich. Denn er will professioneller, klassischer Balletttänzer werden: „Am Ballett begeistert mich, dass man zeigen kann, wie man sich fühlt. Wenn ich tanze, fühle ich mich frei.“
Tanzgefühl hat er geerbt
Auf das Tanzen gekommen ist Lucas durch seine Mutter, die Ballett-Pädagogin und Tänzerin Manuela Mazzei. „Ich habe ihr beim Tanzen zugesehen und war fasziniert“, sagt Lucas. Bereits mit sechs Jahren habe er den Entschluss gefasst, selbst Balletttänzer zu werden. Das stieß im Freundeskreis zunächst auf Spott. Schließlich hat Ballett den Ruf, ein Mädchensport zu sein.
Lucas ließ sich nicht beirren. Er trainierte unermüdlich und feierte einen Erfolg nach dem anderen. „Mittlerweile sind meine Freunde stolz auf mich“, sagt Lucas. Bühnenerfahrung sammelte er unter anderem am Landestheater Coburg, wo er bereits mit acht Jahren schon beim „Nussknacker“mittanzte. Weitere Auftritte folgten, etwa in der Musical-Oper „Alice im Wunderland“und im aktuellen Stück „Anything Goes“.
„Der Junge ist tänzerisch begabt. Er hat musikalischen Rhythmus, Körperkoordination und eine unglaubliche Bühnenpräsenz“, sagt Helga Kleist, Leiterin der Ballettschule. In den vergangenen Jahren habe sich Lucas großartig entwickelt. Doch ihre Schule sei nun mal eine Hobbyschule.
Sie ist überzeugt: „Lucas muss von Profis trainiert werden, damit sein Talent ausgeschöpft wird.“Ab August wird Lucas deshalb die Palucca Hochschule für Tanz in Dresden besuchen, eines der renommiertesten Ausbildungsinstitute für künstlerischen Bühnentanz in Deutschland. Dann wird sich Lucas’ Leben grundlegend verändern. Er wird nicht mehr der Hahn im Korb sein, denn das Verhältnis von Jungen zu Mädchen ist dort relativ ausgeglichen. „Das Bild vom Ballett als Mädchensport ist mittlerweile veraltet. Die Rolle des Tänzers ist heute eine andere, ebenso die Ansprüche an die Ausbildung“, so Katharine Schwarzer, Sprecherin der Hochschule.
Echter Leistungssportler
Die körperlichen Anforderungen seien vergleichbar mit denen eines Leistungssportlers. Professioneller Ballett-Unterricht findet für weibliche und männliche Tänzer getrennt statt. Während Mädchen vor allem den Spitzentanz trainieren, stehen bei Jungen die kraftaufwendigeren Sprünge und Hebefiguren im Vordergrund.
Parallel zum Tanz wird Lucas eine ganz normale Schulausbildung absolvieren. Die staatliche Hochschule verfügt über eine integrierte Sekundarstufe. Ziel ist der Oberstufenabschluss in der 10. Klasse, vergleichbar mit einem Realschulabschluss. Der Stundenplan ist stramm, täglich zwischen 8.00 und 17.30 Uhr ist Unterricht. Zu den herkömmlichen Unterrichtsfächern wie Mathematik und Deutsch gesellen sich wöchentlich zehn Stunden Klassischer Tanz, fünf bis sechs Stunden Zeitgenössischer Tanz und Folklore sowie Unterricht in Improvisation.
Mit bestandenem Schulabschluss haben die Jugendlichen die Möglichkeit, den „Bachelor of Arts“im Rahmen eines dreijährigen Studiums mit reiner Tanzausbildung zu erwerben. Wer es schafft, sich erfolgreich durch die harte Lehrzeit zu kämpfen, den erwarten rosige Aussichten. Pressesprecherin Schwarzer betont: Durchschnittlich hätten neun von zehn Absolventen bereits zu Studienabschluss ein Engagement.
Lucas’ großes Vorbild ist der New Yorker Ballett-Star und Schauspieler Michail Baryschnikow. Der erlangte vor allem in den 1970er- und 1980erJahren internationalen Ruhm und gilt bis heute als einer der besten Tänzer. Ihm will Lucas nacheifern. Dafür muss er bereits jetzt Opfer bringen. Sportarten, die er auch mag, Basketball etwa, muss er aufgeben. Das Verletzungsrisiko ist zu hoch.