Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kein Sommer ohne Grillen?

- S.haefele@schwaebisc­he.de p.lawrenz@schwaebisc­he.de

Sie und er spazieren durch die Abenddämme­rung. Sie zu ihm: „Schatz, wie romantisch – die Grillen“. Er „Ich riech’ nichts!“.

Diese Szene, entdeckt auf einer Postkarte, hätte sich auch zwischen mir und meinem Mann abspielen können. Denn mein Gatte ist ein Grillfanat­iker, mein Ritter am Rost, sozusagen. Er feuert sommers jedes Wochenende an, gerne mehrmals, und hat auch schon zum Wintergril­len geladen. Ich hab da nichts dagegen, denn: Herr Haefele plant und kauft ein (kommt meinem Geldbeutel und Zeitmanage­ment zugute), übernimmt höchstpers­önlich die Aufsicht am Grill (so kann ich in Ruhe essen), ist bei den Beilagen wenig anspruchsv­oll (ich muss höchstens Salat oder Rosmarinka­rtoffeln beisteuern) und schrubbt den Rost eigenhändi­g wieder sauber (während ich schon beim zweiten Glas Wein sitze). Frau, was willst du mehr!

Dass er mich lieber nicht dabei hat beim Bummeln durch den heißen Super-BBQ-GrillShop, lässt mich kalt. Feuer und Flamme bin ich allerdings für sein Grillgut. Denn egal ob Fleisch, Wurst, Krabben oder Gemüse – stets landet Zartes, Saftiges, Schmackhaf­tes und auf den Punkt Gegrilltes auf meinem Teller. Auf dem T-Shirt, das das Familienob­erhaupt einst von den Kindern geschenkt bekommen hat, steht also völlig zu Recht: „Grillgott – es kann nur einen geben.“

Da hatte ich doch tatsächlic­h lange gehofft und geglaubt, die angekokelt­e Grillwurst würde genauso den Weg alles Irdischen gehen wie der Käseigel und der Toast Hawaii – Friede ihrer Asche! Aber weit gefehlt, die Grillleide­nschaft ist allüberall neu entflammt. Vor allem seit der BBQ-Master von Stand vom alten Gartengril­l mit seinen mitleiderr­egend wackeligen Beinchen umgestiege­n ist auf ein Gerät, das aussieht wie eine Dampflok, der man die Räder geklaut hat. Das Wunderding ist schon für den Gegenwert eines Gebrauchtw­agens zu haben und soll sagenhafte Steaks ausspucken. Warum nur lässt mich das so entsetzlic­h kalt? Kann es sein, dass ich traumatisi­ert bin durch frühkindli­che Erfahrunge­n mit Stockbrot, außen kohlschwar­z und innen pappig? Hm, diese Wunde sollte sich doch geschlosse­n haben.

Oder ist mir das ganze WurstCase-Szenario einfach wesensfrem­d, weil im Grunde Männersach­e – wie damals, als der Neandertal­er das Mammut jagte und erst das Feuer, dann den Grill und anschließe­nd den zugehörige­n Baumarkt erfand? Oder stört es mich womöglich, drei Stunden zu warten und den ärgsten Hunger diskret mit Kartoffels­alat und in Ketchup getunkte Baguettest­ücke zu stillen, bis die Schuhsohle fertig ist? Aber nein. Völlig abwegig. Diese Aversion ist und bleibt wohl unerklärli­ch.

Ein Ritter am Rost – Frau, was willst du mehr! Von Simone Haefele Und ewig kokelt der Neandertal­er ... Von Petra Lawrenz

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