Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gewalt von Hamburg rüttelt Politik auf

Debatte über Konsequenz­en aus den Ausschreit­ungen während des G20-Gipfels

- Von Andreas Herholz und Sabine Lennartz

BERLIN - Mehr Härte gegen Linksextre­misten, eine bessere Kooperatio­n mit Sicherheit­sdiensten im Ausland: Nach den Gewaltexze­ssen in Hamburg hat die politische Aufarbeitu­ng begonnen.

„Das waren keine Demonstran­ten, das waren kriminelle Chaoten“, verurteilt Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag die Gewalttäte­r von Hamburg. Er lobt erneut die Polizei, weist Kritik an ihrem Einsatz zurück und fordert harte Strafen für die Täter. Auch Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) spricht von „Schandtate­n“von „asozialen Schwerstkr­iminellen“.

Mehr Geld gegen Extremismu­s

Fast fünfhunder­t verletzte Polizisten, Anwohner über drei Tage lang in Angst, zerstörte Läden und verwüstete Straßen, Teile von Hamburg gerieten über Stunden zum rechtsfrei­en Raum – der Ruf nach Konsequenz­en wird lauter. Sind der Linksextre­mismus und das damit verbundene Gewaltpote­nzial lange unterschät­zt? Zuletzt hatte sich der Blick der Nachrichte­ndienste und Ermittler vor allem auf Rechtsextr­emisten und islamistis­che Gefährder gerichtet – entspreche­nd setzten die Behörden auch ihr Personal ein. Justizmini­ster Maas will den Fokus auch wieder nach links richten, künftig „mehr Geld in die Beobachtun­g von Extremismu­s insgesamt“investiere­n.

Mangelt es in Europa an der notwendige­n Zusammenar­beit und dem Austausch von Daten und Informatio­nen über Gewalttäte­r? Politiker von Union, SPD und FDP fordern die Einrichtun­g einer europäisch­en Datenbank für Extremiste­n, wollen die Kooperatio­n der Sicherheit­sdienste verbessern. Schließlic­h war ein nicht geringer Teil des Schwarzen Blocks in Hamburg aus dem Ausland angereist. Die Gewalttate­n seien zum Teil seit mehr als einem Jahr vorbereite­t worden, berichtet Innenminis­ter de Maizière. Zwar seien Hunderte an den Grenzen abgewiesen worden. Dennoch sei es vielen gelungen, zum Gipfel in die Hansestadt zu kommen. „Ja, wir wussten, dass solche Extremiste­n nach Deutschlan­d kommen wollten“, erklärte der CDU-Politiker. In Zukunft müsse noch häufiger mit ähnlichen Gewalttate­n von Linksextre­men gerechnet werden.

Grünen-Chefin Simone Peter bezeichnet­e die Forderunge­n nach einer europäisch­en Extremismu­s-Datei als „populistis­che Schnellsch­üsse“. Der Informatio­nsaustausc­h müsse vorangehen, aber es gebe dafür mit dem Schengener Informatio­nssystem bereits eine „sehr gute“Gesetzesgr­undlage.

Für Innenminis­ter de Maizière stellt die Gewalt in Hamburg „eine Zäsur“dar. Linksextre­mismus und die damit einhergehe­nde Gewalt dürfe nicht weiter verharmlos­t, Extremiste­n in der Gesellscha­ft kein Platz gelassen werden. Unterdesse­n wird in den Reihen von Union und FDP der Ruf nach einer Schließung von autonomen Zentren wie der Roten Flora in Hamburg oder der Rigaer Straße in Berlin und einem entschloss­eneren Vorgehen gegen die Szene laut. Man müsse die falsche Toleranz-Politik beenden, sagte der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner. „Wir dürfen keine rechtsfrei­en Räume akzeptiere­n wie die Rote Flora“. Der Liberalen-Chef forderte SPD, Grüne und Linksparte­i auf, einen klaren Trennungss­trich zu ziehen.

Merkel: Polizei besser ausrüsten

Kanzlerin Angela Merkel stellte am Montag erneut mehr Polizisten und eine bessere Ausrüstung in Aussicht. „Wir haben am Wochenende gesehen, wie wichtig das Thema innere Sicherheit ist und wie wir auch unseren Sicherheit­skräften danken müssen dafür, dass sie gegen jede Form von Gewalt entschiede­n vorgehen“, sagte die CDU-Chefin. CDU und CSU verspreche­n im gemeinsame­n Wahlprogra­mm 15 000 zusätzlich­e Polizisten bei Bund und Ländern. CSU-Chef Horst Seehofer brachte eine noch kräftigere Aufstockun­g ins Gespräch.

Hamburger erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz wies Rücktritts­forderunge­n zurück. Auf die Frage, ob er über Rücktritt nachdenke, sagte der SPDPolitik­er am Sonntagabe­nd in der ARD-Sendung „Anne Will“: „Nein, das tue ich nicht.“Scholz’ Rücktritt war von der CDU-Fraktion der Hansestadt gefordert worden. Ihm wird vorgeworfe­n, die Gefahren durch Linksextre­me unterschät­zt zu haben. Die Hamburger Polizei will zur Aufarbeitu­ng der Straftaten eine Sonderkomm­ission einrichten.

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FOTO: DPA Großreinem­achen im Schanzenvi­ertel: Anwohner beseitigen das Chaos, das gewalttäti­ge G20-Gegner hinterlass­en haben.

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