Gewalt von Hamburg rüttelt Politik auf
Debatte über Konsequenzen aus den Ausschreitungen während des G20-Gipfels
BERLIN - Mehr Härte gegen Linksextremisten, eine bessere Kooperation mit Sicherheitsdiensten im Ausland: Nach den Gewaltexzessen in Hamburg hat die politische Aufarbeitung begonnen.
„Das waren keine Demonstranten, das waren kriminelle Chaoten“, verurteilt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag die Gewalttäter von Hamburg. Er lobt erneut die Polizei, weist Kritik an ihrem Einsatz zurück und fordert harte Strafen für die Täter. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) spricht von „Schandtaten“von „asozialen Schwerstkriminellen“.
Mehr Geld gegen Extremismus
Fast fünfhundert verletzte Polizisten, Anwohner über drei Tage lang in Angst, zerstörte Läden und verwüstete Straßen, Teile von Hamburg gerieten über Stunden zum rechtsfreien Raum – der Ruf nach Konsequenzen wird lauter. Sind der Linksextremismus und das damit verbundene Gewaltpotenzial lange unterschätzt? Zuletzt hatte sich der Blick der Nachrichtendienste und Ermittler vor allem auf Rechtsextremisten und islamistische Gefährder gerichtet – entsprechend setzten die Behörden auch ihr Personal ein. Justizminister Maas will den Fokus auch wieder nach links richten, künftig „mehr Geld in die Beobachtung von Extremismus insgesamt“investieren.
Mangelt es in Europa an der notwendigen Zusammenarbeit und dem Austausch von Daten und Informationen über Gewalttäter? Politiker von Union, SPD und FDP fordern die Einrichtung einer europäischen Datenbank für Extremisten, wollen die Kooperation der Sicherheitsdienste verbessern. Schließlich war ein nicht geringer Teil des Schwarzen Blocks in Hamburg aus dem Ausland angereist. Die Gewalttaten seien zum Teil seit mehr als einem Jahr vorbereitet worden, berichtet Innenminister de Maizière. Zwar seien Hunderte an den Grenzen abgewiesen worden. Dennoch sei es vielen gelungen, zum Gipfel in die Hansestadt zu kommen. „Ja, wir wussten, dass solche Extremisten nach Deutschland kommen wollten“, erklärte der CDU-Politiker. In Zukunft müsse noch häufiger mit ähnlichen Gewalttaten von Linksextremen gerechnet werden.
Grünen-Chefin Simone Peter bezeichnete die Forderungen nach einer europäischen Extremismus-Datei als „populistische Schnellschüsse“. Der Informationsaustausch müsse vorangehen, aber es gebe dafür mit dem Schengener Informationssystem bereits eine „sehr gute“Gesetzesgrundlage.
Für Innenminister de Maizière stellt die Gewalt in Hamburg „eine Zäsur“dar. Linksextremismus und die damit einhergehende Gewalt dürfe nicht weiter verharmlost, Extremisten in der Gesellschaft kein Platz gelassen werden. Unterdessen wird in den Reihen von Union und FDP der Ruf nach einer Schließung von autonomen Zentren wie der Roten Flora in Hamburg oder der Rigaer Straße in Berlin und einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Szene laut. Man müsse die falsche Toleranz-Politik beenden, sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. „Wir dürfen keine rechtsfreien Räume akzeptieren wie die Rote Flora“. Der Liberalen-Chef forderte SPD, Grüne und Linkspartei auf, einen klaren Trennungsstrich zu ziehen.
Merkel: Polizei besser ausrüsten
Kanzlerin Angela Merkel stellte am Montag erneut mehr Polizisten und eine bessere Ausrüstung in Aussicht. „Wir haben am Wochenende gesehen, wie wichtig das Thema innere Sicherheit ist und wie wir auch unseren Sicherheitskräften danken müssen dafür, dass sie gegen jede Form von Gewalt entschieden vorgehen“, sagte die CDU-Chefin. CDU und CSU versprechen im gemeinsamen Wahlprogramm 15 000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern. CSU-Chef Horst Seehofer brachte eine noch kräftigere Aufstockung ins Gespräch.
Hamburger erster Bürgermeister Olaf Scholz wies Rücktrittsforderungen zurück. Auf die Frage, ob er über Rücktritt nachdenke, sagte der SPDPolitiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“: „Nein, das tue ich nicht.“Scholz’ Rücktritt war von der CDU-Fraktion der Hansestadt gefordert worden. Ihm wird vorgeworfen, die Gefahren durch Linksextreme unterschätzt zu haben. Die Hamburger Polizei will zur Aufarbeitung der Straftaten eine Sonderkommission einrichten.