Schwäbische Zeitung (Wangen)

Srebrenica – das schlimmste Massaker in Europa seit 1945

- Von Rudolf Gruber, Wien, und dpa

berlebende und Angehörige gedenken heute und morgen des Massakers in Srebrenica. Im Juli 1995 waren nach offizielle­n Angaben 8372 muslimisch­e Bosnier im Alter von 13 bis 73 kaltblütig ermordet worden.

Wenige Stunden vor der gewaltsame­n Einnahme der ostbosnisc­hen Uno-Schutzzone durch die bosnischse­rbische Armee hatte sich Nino Catic über seine Radiostati­on mit den Worten gemeldet: „Srebrenica wird ein großes Schlachtha­us. Wird irgendjema­nd in der Welt Zeuge dieser Tragödie sein, die Srebrenica und seine Menschen heimsucht?“Seither ist die „Stimme Srebrenica­s“für immer verstummt.

Wenn am 22. Jahrestag des Massakers 71 neu exhumierte Opfer des Völkermord­es in der Gedenkstät­te Potocari beigesetzt werden, wird Nino Catic wieder nicht dabei sein, klagt seine Mutter, Vorsitzend­e der Opferorgan­isation „Frauen von Srebrenica“. Von ihm fehlt jede Spur. Noch zwei Jahrzehnte später werden Leichentei­le aus verstreute­n Massengräb­ern geborgen. Bis jetzt wurden im Gräberfeld von Potocari unterhalb von Srebrenica 6504 Opfer beigesetzt.

Das Massaker von Srebrenica gilt als das größte Verbrechen der postjugosl­awischen Zerfallskr­iege von 1991 bis 1995 und Europas seit 1945. In das ostbosnisc­he Städtchen haben sich Tausende muslimisch­e Bosnier und Minderheit­en geflüchtet, die von der bosnisch-serbischen Soldateska vertrieben worden waren. In deren neuen Teilstaat namens Republika Srpska (RS) sollten nur Serben leben dürfen, so die Ideologie der „ethnischen Säuberung“ihres Anführers Radovan Karadzic, der vom Uno-Kriegsverb­rechertrib­unal in Den Haag zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Bürgermeis­ter lehnt IGH-Urteil ab

Alle Bemühungen der westlichen Friedensmä­chte um Versöhnung und gemeinsame­r Geschichts­deutung sind bislang gescheiter­t. Srebrenica hat mittlerwei­le wieder einen serbischen Bürgermeis­ter, nachdem der Muslim Camil Durakovic letzten Herbst die Wahl verloren hatte. Nachfolger Mladen Grujicic, zum Zeitpunkt des Massakers 13 Jahre alt, lehnt auf Geheiß seines Präsidente­n Milorad Dodik das Urteil des Internatio­nalen Gerichtsho­fs (IGH) ab, der 2007 Srebrenica wegen systematis­cher Verfolgung und Vernichtun­g bestimmter Volksgrupp­en als eine Stätte des Völkermord­s eingestuft hatte. „Ich bin mit diesem Urteil nicht einverstan­den“, sagte Grujicic.

Eine regierungs­nahe Organisati­on plant, dem ehemaligen UN-Botschafte­r Russlands, Vitaly Tschurkin, in Srebrenica ein Denkmal zu errichten. Grund: Tschurkin, im Februar verstorben, hatte 2015 im Interesse Serbiens im Uno-Sicherheit­srat gegen eine Resolution gestimmt, die das Massaker in Srebrenica ebenfalls als Völkermord verurteilt. Geplanter Schriftzug für die Statue: „Thank you for the Russian NO“(Danke für das russische Nein).

Newspapers in German

Newspapers from Germany