Gegen den Wohlfühlpop
Der Schweizer Barde Faber hält sich auf seinem Debüt „Sei ein Faber im Wind“mit Provokation nicht zurück
BERLIN (dpa) - 24 Jahre alt, Lockenkopf, Leisetreter. Beinah könnte man den Schweizer Singer-Songwriter Faber in einen Topf mit den jungen deutschen Popmännern werfen. Doch wäre man dann schiefgewickelt. „Ich habe mit dieser Musik einfach nichts am Hut“, sagt er. Statt Schnulzen ohne Tiefgang will er tatsächlich etwas erzählen und nicht nur Plattitüden aus dem Sprüchekalender aneinanderreihen.
Nach zwei kleineren Veröffentlichungen hat der Zürcher mit „Sei ein Faber im Wind“nun sein Debütalbum herausgebracht. Es scheint ein Kontrapunkt zu sein, Fähnchen im Wind sind die anderen. Auf dem Plattencover liegt der Sänger ausgestreckt vor einem stocksteifen Schützenverein – inklusive Königin und König. Ein tieferer Sinn? „Ich find’s halt megalustig“, so seine Antwort. Man könnte aber auch herauslesen: Er ist einer, der nicht ins Bild passt.
Seit Wochen erhält Julian Pollina, wie Faber eigentlich heißt, viele Lorbeeren. Vergleiche werden gezogen zu Nick Cave und Hildegard Knef, Leonard Cohen oder Pete Doherty. Recht haben sie irgendwie alle, denn seinen Songs wohnt genau diese leicht melancholische Härte inne. Er mäandert zwischen Polka, italienischen und französischen Chansons, Folk und Pop. Und was für eine Stimme: Sie klingt nach warmem Rauch und Asphaltflechte.
Auf seinem Album hat Faber einen beinahe zynischen Blick auf die Welt. „Wenn es mir schlecht geht, seh’ ich gern, dass es euch schlechter geht“, singt er in „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“. Seinen Liedern liegt meist etwas Todtrauriges zugrunde. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur umreißt Faber selbst das Dreigestirn seiner Songs: Liebe, Drama und Politik. „Wenn du dann am Boden bist, weißt du, wo du hingehörst“, zitiert er im Gespräch einen Song – und wirft schelmisch hinterher: „Das versprüht doch ordentlich Optimismus.“Oder im Schweizer Einschlag, der sich nur zuweilen herausstiehlt: „Das ist doch aufgestellte Musik!“
Von Fabers Wortwahl fühlt sich der eine oder die andere sicherlich vor den Kopf gestoßen. Er erklärt die Beleidigung im titelgebenden Trennungssong damit, dass es ja auch verletzend sein soll. Und somit der Umschlag von Enttäuschung in Gemeinheit spürbar.
Prollig-warmer Gegenentwurf
Genau hier zeigt sich ein wahrscheinlich unlösbarer Zwiespalt im Deutschpop: Auf der einen Seite gibt es die Wohlfühlmusik der Max Giesingers und Tim Bendzkos, die zuletzt Jan Böhmermann mit einem Satire-Song durch den Kakao zog. Ohne Ecken, sensibel, erfolgreich – und ein wenig fad. Auf der anderen Seite steht das prollig-warme Geraune eines Faber, der Buchstaben verschluckt und eben auch Sätze singt, die sonst jede Unterhaltung sofort zum Stillstand bringen würden.
Etwas anderes ist Fabers Sound allemal. Ein Kontrapunkt eben. Oder wie er es selbst formuliert: „Ich mach ja keine Biergartenmusik.“