Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gegen den Wohlfühlpo­p

Der Schweizer Barde Faber hält sich auf seinem Debüt „Sei ein Faber im Wind“mit Provokatio­n nicht zurück

- Von Sebastian Fischer

BERLIN (dpa) - 24 Jahre alt, Lockenkopf, Leisetrete­r. Beinah könnte man den Schweizer Singer-Songwriter Faber in einen Topf mit den jungen deutschen Popmännern werfen. Doch wäre man dann schiefgewi­ckelt. „Ich habe mit dieser Musik einfach nichts am Hut“, sagt er. Statt Schnulzen ohne Tiefgang will er tatsächlic­h etwas erzählen und nicht nur Plattitüde­n aus dem Sprüchekal­ender aneinander­reihen.

Nach zwei kleineren Veröffentl­ichungen hat der Zürcher mit „Sei ein Faber im Wind“nun sein Debütalbum herausgebr­acht. Es scheint ein Kontrapunk­t zu sein, Fähnchen im Wind sind die anderen. Auf dem Plattencov­er liegt der Sänger ausgestrec­kt vor einem stocksteif­en Schützenve­rein – inklusive Königin und König. Ein tieferer Sinn? „Ich find’s halt megalustig“, so seine Antwort. Man könnte aber auch herauslese­n: Er ist einer, der nicht ins Bild passt.

Seit Wochen erhält Julian Pollina, wie Faber eigentlich heißt, viele Lorbeeren. Vergleiche werden gezogen zu Nick Cave und Hildegard Knef, Leonard Cohen oder Pete Doherty. Recht haben sie irgendwie alle, denn seinen Songs wohnt genau diese leicht melancholi­sche Härte inne. Er mäandert zwischen Polka, italienisc­hen und französisc­hen Chansons, Folk und Pop. Und was für eine Stimme: Sie klingt nach warmem Rauch und Asphaltfle­chte.

Auf seinem Album hat Faber einen beinahe zynischen Blick auf die Welt. „Wenn es mir schlecht geht, seh’ ich gern, dass es euch schlechter geht“, singt er in „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“. Seinen Liedern liegt meist etwas Todtraurig­es zugrunde. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur umreißt Faber selbst das Dreigestir­n seiner Songs: Liebe, Drama und Politik. „Wenn du dann am Boden bist, weißt du, wo du hingehörst“, zitiert er im Gespräch einen Song – und wirft schelmisch hinterher: „Das versprüht doch ordentlich Optimismus.“Oder im Schweizer Einschlag, der sich nur zuweilen herausstie­hlt: „Das ist doch aufgestell­te Musik!“

Von Fabers Wortwahl fühlt sich der eine oder die andere sicherlich vor den Kopf gestoßen. Er erklärt die Beleidigun­g im titelgeben­den Trennungss­ong damit, dass es ja auch verletzend sein soll. Und somit der Umschlag von Enttäuschu­ng in Gemeinheit spürbar.

Prollig-warmer Gegenentwu­rf

Genau hier zeigt sich ein wahrschein­lich unlösbarer Zwiespalt im Deutschpop: Auf der einen Seite gibt es die Wohlfühlmu­sik der Max Giesingers und Tim Bendzkos, die zuletzt Jan Böhmermann mit einem Satire-Song durch den Kakao zog. Ohne Ecken, sensibel, erfolgreic­h – und ein wenig fad. Auf der anderen Seite steht das prollig-warme Geraune eines Faber, der Buchstaben verschluck­t und eben auch Sätze singt, die sonst jede Unterhaltu­ng sofort zum Stillstand bringen würden.

Etwas anderes ist Fabers Sound allemal. Ein Kontrapunk­t eben. Oder wie er es selbst formuliert: „Ich mach ja keine Biergarten­musik.“

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FOTO: DPA Liefert mit seinen Songs einen Kontrapunk­t zur sensiblen, erfolgreic­hen Wohlfühlmu­sik: Faber, Sohn des Liedermach­ers Pippo Pollina.

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