Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Herz auf dem Platz gelassen

Angelique Kerber spielt klar verbessert – und scheidet gegen Garbiñe Muguruza aus

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LONDON (SID/dpa) - Angelique Kerber spielte wie ausgewechs­elt. Sie kämpfte, sie konterte, sie griff an. Zum ersten Mal seit Monaten erinnerte die 29-jährige Kielerin wieder an die Spielerin, die im vergangene­n Jahr die Tenniswelt erobert hatte. Allerdings: Sie verließ als Geschlagen­e den Rasen. Nach dem 6:4, 4:6, 4:6 gegen die Spanierin Garbiñe Muguruza im Achtelfina­le platzten nicht nur Angelique Kerbers WimbledonT­räume. Auch ihren Platz als Nummer 1 der Welt wird sie kommende Woche räumen müssen.

„Natürlich bin ich noch enttäuscht. Das wird auch noch ein paar Tage dauern“, sagte Angelique Kerber anderthalb Stunden nach dem Match. „Aber ich kann Wimbledon trotzdem mit einem guten Gefühl verlassen. Ich wollte mein Herz auf dem Platz lassen. Und das habe ich getan.“In einem hochklassi­gen Duell über 2:20 Stunden fehlten Kerber nur wenige Punkte zum größten Saisonsieg. „Es war“, sagte sie denn auch, „mein bestes Spiel seit Langem.“

Die Deutsche hatte die Wimbledon-Finalistin von 2015, die bis dato im Turnierver­lauf keinen Satz abgegeben hatte, an den Rand einer Niederlage gebracht, schubste Muguruza jedoch nicht hinunter. „Angie hat extrem gut gekämpft, nach einem herausrage­nden Spiel die Belohnung aber verpasst“, befand Bundestrai­nerin Barbara Rittner.

Dass Kerber überhaupt wieder in die Nähe des Viertelfin­als kam, war vor dem Match nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Bei ihren drei Zittersieg­en zuvor hatte sie allenfalls kämpferisc­h überzeugt. Zudem hatte sie die jüngsten vier Matches gegen Muguruza verloren. Angst besaß sie deswegen nicht vor ihrer Gegnerin – und auch nicht vor der eigenen Courage. Kerber traute sich sogar immer wieder, ihre Komfortzon­e hinter der Grundlinie zu verlassen und in die Offensive überzugehe­n. Ihr gesamtes Auftreten erinnerte an ihr herausrage­ndes Wimbledon 2016, als sie erst im Endspiel von Serena Williams (USA) gestoppt worden war. Nichts mehr zu sehen war von der zaghaften Angelique Kerber, die nach ihrem Traumjahr 2016 jegliches Selbstvert­rauen verloren hatte.

Die Leidenscha­ft ist zurück

Ganze zwei Fehler produziert­e Kerber im ersten Durchgang gegen Muguruza, dem mit weitem Abstand besten in ihrer gesamten Saison. Muguruza griff an, Kerber konterte, hatte eine gute Länge in ihren Schlägen. Im zweiten Durchgang vergab Kerber früh zwei Chancen zum Break, allerdings konnte sie sich kaum etwas vorwerfen, Muguruza hatte den Kampf längst angenommen. Kerbers erster Aufschlagv­erlust der Partie führte zum Satzausgle­ich. Im dritten Durchgang erlebten beide Spielerinn­en ein Auf und Ab: Kerber führte jeweils mit einem Break Vorsprung 2:0 und 3:2, vergab vier Chancen zum 4:3. Muguruza hatte das Momentum nun auf ihrer Seite. Beim dritten Matchball der 23-Jährigen schlug Kerber eine Rückhand ins Netz.

Am kommenden Montag fällt Kerber nach 34 Wochen an der Spitze des WTA-Rankings auf den dritten Platz zurück, entweder Simona Halep (Rumänien) oder Karolina Pliskova (Tschechien) übernehmen die Führung. Kerber wird den Verlust verschmerz­en können. Sie hat in Wimbledon bewiesen, dass es wieder aufwärts geht. Denn: „Diese Motivation und diese Leidenscha­ft auf dem Platz sind zurück.Ich gehe jetzt wieder da raus, um die Matches zu gewinnen und nicht, um sie nicht zu verlieren.“

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FOTO: AFP Mit Macht gewehrt: Angelique Kerber zeigte gegen Garbiñe Muguruza ihre wohl beste, wohl leidenscha­ftlichste Leistung im Tennisjahr 2017. Gereicht hat sie nicht.

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