Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eltern beklagen verkapptes Schulgeld

Aus ihrer Sicht soll das Land die Kosten für die Schülerbef­örderung tragen – Verwaltung­sgericht entscheide­t

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Viele Eltern in Baden-Württember­g sind der Meinung, dass das Land die Kosten für den Schülerver­kehr komplett übernehmen müsste. Tausende Unterstütz­er haben sich der Initiative „Eltern für Elternrech­te“angeschlos­sen. Momentan zahlen die Eltern im Südwesten den Löwenantei­l der Kosten für die Fahrkarten – jährlich rund 220 Millionen Euro.

„Dabei handelt es sich um ein verkapptes Schulgeld“, sagt Stephan Ertle, der Sprecher der Initiative. Über ein Rechtsguta­chten konnte die Initiative eigenen Angaben zufolge nachweisen, dass die gängige Praxis in Baden-Württember­g rechtlich auf wackeligen Beinen steht. Um das Land dazu zu zwingen, dies zu ändern, reichte eine Familie aus Tübingen Klage vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n ein. Nächste Woche soll das Gericht entscheide­n.

Für die momentan zwei schulpflic­htigen Kinder der Familie Keck werden jährlich allein für die Busfahrkar­ten etwa 1000 Euro fällig. Da das Verwaltung­sgericht keine Sammelklag­e zugelassen hat, übernahm Theo Keck als ehemaliger Vorsitzend­er des Landeselte­rnbeirats die Musterklag­e und verklagte den Landkreis Tübingen als Träger der Schülerbef­örderung: „Ausgerechn­et das gut situierte Baden-Württember­g sieht sich nicht in der Lage, die Kosten für die Schülerbef­örderung komplett zu übernehmen – das ist der Skandal.“

Die Vertreter des Landeselte­rnbeirats verweisen auf die Nachbarlän­der Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz, die die Kosten für den Schülerver­kehr tragen. Insgesamt geht es nach Angaben des Landeselte­rnbeirats um einen Betrag von 220 Millionen Euro, die die Eltern jährlich für die Schülerbef­örderung ausgeben. „Wir gehen davon aus, dass diese Summe in Zukunft vom Land getragen werden muss“, gibt sich Stephan Ertle aus Leutkirch siegessich­er. Als Mitglied im Landeselte­rnbeirat hat er die Diskussion schon vor Jahren angestoßen.

In einem Rechtsguta­chten, das die Initiative um Ertle in Auftrag gegeben hat, kommt eine Stuttgarte­r Kanzlei zu der Auffassung, dass die derzeitige Praxis negative Auswirkung­en auf die Wahl von Ort und Art der Schule habe. „Diese Chancenung­leichheit muss weg“, sagt Ertle. Damit ist gemeint: Finanzschw­ache Familien müssten sich derzeit für eine nahe gelegene Schule entscheide­n, weil sie sich einen weiteren Schulweg nicht leisten könnten. Der gesetzlich definierte unentgeltl­iche Zugang zur Bildung dehne sich auch auf die Schülerbef­örderung aus, so eine weitere Aussage des Gutachters. Die Vertreter der Initiative „Eltern für Elternrech­te“sind der Meinung, dass das vom Land momentan in die Schülerbef­örderung investiert­e Geld zweckentfr­emdet werde. Die Landesregi­erung überweist hierfür jährlich einen Betrag in Höhe von 195 Millionen Euro an die Kreise. Rechnet man den Eigenantei­l der Eltern in Höhe von 220 Millionen Euro hinzu, lägen die Ausgaben bei 415 Millionen Euro.

Landratsam­t blockt ab

Die Initiative ist der Auffassung, dass das Land tatsächlic­h mit 250 Millionen Euro jährlich für Schülerbef­örderung hinkommen würde. Seit 2011 beschäftig­en sich die Landeselte­rnbeiräte damit. Sie baten das Ravensburg­er Landratsam­t darum, die Zahlen des Schülerver­kehrs offenzuleg­en, die Anfrage wurde aber immer wieder abgeblockt. „Wir wollten anfangs gar nicht klagen, sind aber mit unseren Verhandlun­gen immer wieder gescheiter­t“, sagt Brigitte Reuther aus Bad Wurzach.

Die Initiative geht davon aus, dass sie zwischenze­itlich von 20 000 Eltern unterstütz­t wird. Viele von ihnen haben die Monatskart­en unter Vorbehalt bezahlt. So können sie gegenüber dem Land eine mögliche Rückforder­ung geltend machen.

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FOTO: DPA Das Land Baden-Württember­g soll die Beförderun­g von Schulkinde­rn übernehmen – das fordern nun einige Eltern.

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