Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gigantisch­er Eisberg treibt in der Antarktis

„A68“ist fast siebenmal so groß wie Berlin – Schelfeis könnte komplett zerfallen

- Von Janet Binder

BREMEN (dpa) - Diesem Augenblick haben Forscher seit Monaten entgegenge­fiebert: In der Westantark­tis ist vom Larsen-C-Schelfeis ein gigantisch­er Eisberg abgebroche­n, der zuletzt nur noch an einer schmalen Verbindung hing. Er zählt nach Angaben des Bremerhave­ner AlfredWege­ner-Instituts (Awi) für Polarund Meeresfors­chung zu den fünf größten Eiskolosse­n, die Wissenscha­ftler in den letzten drei Jahrzehnte­n registrier­t haben. Mit 5800 Quadratkil­ometern ist er fast siebenmal so groß wie Berlin.

Der Tafeleisbe­rg löste sich irgendwann in der Zeit zwischen Montag und Mittwoch. Nach Angaben des britischen Antarktisp­rojekts Midas wird er vermutlich den Namen A68 erhalten. Wohin er driftet, hängt von mehreren Faktoren ab. „Er schwimmt mit der Meeresströ­mung, aber auch der Wind spielt eine Rolle“, sagt Awi-Glaziologi­n Daniela Jansen, die am Midas-Projekt der britischen Universitä­t Swansea beteiligt ist. Sie vermutet, dass der Eisberg – so wie andere zuvor – entlang der antarktisc­hen Halbinsel zunächst gen Norden und dann nach Osten zieht. „Es kann aber dauern, bis er aus dem Meereis raus ist“, sagt Jansen. Erfahrungs­gemäß driftet er zunächst zehn Kilometer pro Tag.

Per Satellit verfolgbar

Sollte die Eismasse nicht vorher in mehrere Teile zerfallen, wird es Jansens Angaben zufolge wohl zwei, drei Jahre dauern, bis sie geschmolze­n ist. „Der Eisberg befindet sich schon weit im Norden und kommt deshalb bald in wärmeres Gewässer.“Sie geht davon aus, dass er sich vor der Inselgrupp­e Südgeorgie­n, etwa 1400 Kilometer östlich der argentinis­chen Küste, vollständi­g auflösen wird.

Eine Gefahr für Menschen geht von dem Giganten nicht aus. „Er schwimmt in einem sehr abgelegene­n Teil der Erde“, erläutert die Wissenscha­ftlerin. „Und einen Eisberg dieser Größe kann man per Satellit super verfolgen.“Schiffe wüssten somit, wo er sich gerade aufhalte.

Meeresspie­gel erhöht sich

Jetzt, wo der Eisberg abgebroche­n ist, ist er für die Wissenscha­ftler eigentlich nicht mehr ganz so spannend. „Uns interessie­rt, wie es an der Kalbungsfr­ont des Larsen-C-Schelfeise­s weitergeht“, betont Jansen. Schelfeise sind auf dem Meer schwimmend­e Eisplatten, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. Das Larsen-C-Schelfeis ist das viertgrößt­e Schelfeis der Antarktis. Es hat eine Fläche von fast 50 000 Quadratkil­ometern und ist damit etwa so groß wie Niedersach­sen.

Wissenscha­ftler befürchten, dass sich mit dem Abbruch des Eisbergs die neu entstanden­e Eiskante durch permanente­s Krümeln weiter zurückzieh­t und das Schelfeis schließlic­h in absehbarer Zeit komplett zerfällt.

Diesen Prozess haben Forscher schon mehrfach beobachtet: In den letzten 20 Jahren sind sieben Schelfeise an der Antarktisc­hen Halbinsel zerfallen oder stark zurückgega­ngen. In der Folge können die Eisströme der Gletscher ungebremst ins Wasser fließen, was letztlich zur Erhöhung des Meeresspie­gels führt.

Ob sich auch das Larsen-C-Schelfeis zurückzieh­en wird, wissen die Forscher nicht. „Das ist ein komplexes System, und wir arbeiten daran, es zu entschlüss­eln“, sagt Daniela Jansen. Zwar weiß niemand, ob der Klimawande­l die Entstehung von „A68“gefördert hat. Aber zum weiteren Zerfallen des Larsen-C-Schelfeise­s könnte er durchaus beitragen.

 ?? FOTO: PROJECTMID­AS/NASA/DPA ?? Eine Billion Tonnen schwer und 5800 Quadratkil­ometer groß: Die Aufnahme, die am Mittwoch von einem Nasa-Satelliten aus gemacht wurde, zeigt die Geburt eines gigantisch­en Eisberges in der Antarktis.
FOTO: PROJECTMID­AS/NASA/DPA Eine Billion Tonnen schwer und 5800 Quadratkil­ometer groß: Die Aufnahme, die am Mittwoch von einem Nasa-Satelliten aus gemacht wurde, zeigt die Geburt eines gigantisch­en Eisberges in der Antarktis.

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