„Rötsee wacht jetzt langsam wieder auf“
Wie Julia Fischer und Haimo Geiger unverhofft zu einem Gasthaus kamen
KISSLEGG - Irgendwas hatte der alte Gasthof in Rötsee: Gleich zweimal an einem Tag schauten sich Julia Fischer und Haimo Geiger vergangenes Jahr den damals schon mehrere Jahre geschlossenen und von ihnen per Zufall entdeckten Gasthof an – wohlgemerkt, um möglicherweise dort einzuziehen, nicht um ihn wieder zu eröffnen. „Zuerst hab ich gedacht: auf gar keinen Fall!“, erzählt Haimo Geiger. „Aber dann ließ mich der Gedanke nicht mehr los.“Ähnlich ging es seiner Partnerin Julia Fischer. Sie kam aus München, er aus der Schweiz. „Feststand: Wir wollten nicht in die Großstadt.“Also entschieden sie sich, den alten Gasthof Hirsch zu kaufen und in das beschauliche Rötsee zu ziehen. Und dann kam noch mehr ins Rollen.
„Nachdem wir hier eingezogen sind, wurden wir in der Woche mindestens 20 Mal gefragt, ob wir nicht den Gasthof wieder aufmachen“, erinnert sich Julia Fischer. Nachdem sie „Zug um Zug überredet wurden“, sagten sie sich: „Dann probieren wir es halt.“Die 35-jährige Julia Fischer hatte bis dahin bei Daimler in München gearbeitet, der 41jährige Haimo Geiger war in der Schweiz beim Rettungsdienst und in der Anästhesie tätig.
Am 28. Oktober 2016 eröffneten sie schließlich den Gasthof. Haimos Onkel, ein pensionierter Koch, steht in der Küche, das Paar ist für den Betrieb und den Service zuständig. Geöffnet ist der Gasthof im Sommer von Mittwoch bis Sonntag. Den vielen Gästen bei der Eröffnung folgten viele Gasthof-Besucher. „Wir haben noch kein einziges Mal Werbung machen müssen“, freut sich Haimo Geiger. „Es läuft sehr sehr gut.“Viele Einheimische, Radler und Wanderer stoppen an dem Gasthof, der direkt an der Straße liegt. „Wir wurden echt schnell von den Leuten akzeptiert“, freut sich Haimo Geiger. „Auch die Nachbarn greifen uns jederzeit unter die Arme.“Sie leben in zwei Häusern auf der anderen Straßenseite.
„Langweilig wird uns nicht“, erzählt Haimo Geiger und lacht. Denn neben der Gastwirtschaft hat die junge Familie auch noch zehn eigene Pferde, acht Kälber und eine Kuh. „Wir wollen noch eine Nebenerwerbslandwirtschaft aufbauen“, sagt er. Auch Pferdeaufzuchthaltung und eine eigene Heuproduktion sollen dazukommen.
Direkt neben dem Gasthof gibt es übrigens eine kleine Attraktion: Die über 1000 Jahre alte Wallfahrtskirche Rötsee „Zu Ehren der Mutter Gottes“. Der letzte Pfarrer, Peter Mitscherlich, zog noch scharenweise Gläubige nach Rötsee, erzählt Geiger, der sich über die Vergangenheit schlau gemacht hat. „Bei seinen Gottesdiensten haben die Leute bis draußen auf der Straße gestanden.“Nachdem der Pfarrer gestorben war, sei alles in Rötsee „ein bisschen eingeschlafen“, so Geiger. „Jetzt wacht es langsam wieder auf.“Und das ist vor allem der kleinen Familie zu danken, zu der seit Februar auch Sohn Maxl gehört, der seinen Eltern zufolge von den Gästen „heiß und innig geliebt“wird.
Kirche wird restauriert
Die Wallfahrtskirche wird seit Oktober 2016 restauriert. Hauptverantwortlich dafür ist Florian Rude von der gleichnamigen Zimmerei. „Sie war einsturzgefährdet“, berichtet er. „Es war wirklich höchste Zeit anzufangen“, sagt auch Walter Kuon, zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats. Die Restaurierung beschäftige die Kirchengemeinde schon seit 2014 – inklusive der Gutachten, Planungen und Voruntersuchungen.
Vor allem die Dachbalken mussten weitestgehend ausgetauscht werden, weil sie vom sogenannten Hausschwamm, einem Pilz, zerfressen waren. Auch das Mauerwerk wurde teils erneuert. Was erhalten werden konnte, wurde erhalten, betont Rude. Besondere Vorsicht ist dann bei der fast komplett bemalten Decke geboten. Momentan wird die Decke gestützt. Aber klar ist schon jetzt, dass einige teils Meter lange Risse ausgebessert werden müssen. „Wie viele das sind, sieht man erst, wenn all die anderen Arbeiten fertig sind“, sagt Kuon. Dafür brauche der Restaurator viel Zeit. Außen wird die Kirche neu verputzt, teilweise müssen die Schindeln ausgetauscht werden. „Nächstes Jahr im Frühjahr wollen wir die Kirche mit einem großen Fest einweihen“, kündigt er an.
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart zahlt rund 750 000 Euro der insgesamt 950 000 Euro hohen Sanierungskosten. Den Rest davon muss die katholische Kirchengemeinde St. Gallus und St. Ulrich tragen. Kuon freut sich besonders, dass schon 30 000 Euro an Spenden aus der Bürgerschaft für die Kirchenrestaurierung zusammengekommen sind.