Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine aufrütteln­de Erfindung

Der junge Polizist Konstantin Berkovych aus Sachsen möchte Geisterfah­rer früh stoppen

- Von Julia Giertz und Antonia Lange

LORCH (dpa) - Nach schweren Unfällen mit Geisterfah­rern wird in Baden-Württember­g eine neue Markierung auf der Fahrbahn getestet, die Falschfahr­er buchstäbli­ch wachrüttel­n soll. Die nach Angaben des Verkehrsmi­nisteriums bundesweit einzigarti­ge Erfindung soll Falschfahr­er durch Rütteln und ein zusätzlich­es akustische­s Signal alarmieren. Gemeinsam mit Erfinder Konstantin Berkovych, einem jungen Polizisten aus Sachsen, stellte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) die Neuerung am Samstag bei einer gemeinsame­n Testfahrt auf der Bundesstra­ße 29 an der Anschlusss­telle Lorch/Ost vor. „Es gibt viele innovative Ideen, Falschfahr­er stoppen zu können, aber diese Variante erscheint vielverspr­echend“, sagte Hermann. „Wir wollen sehen, ob sie sich bewährt und gegebenenf­alls an weiteren Anschlusss­tellen zum Einsatz kommen kann.“

Auf der B29 war im Januar das Auto einer 72 Jahre alten Falschfahr­erin mit einem entgegenko­mmenden Fahrzeug zusammenge­stoßen. Sie und der 20 Jahre alte Fahrer des anderen Autos starben. Immer wieder gab es in den vergangene­n Monaten tödliche Unfälle wegen Geisterfah­rern. Allein im Südwesten zählte der Verkehrswa­rndienst laut Innenminis­terium 410 entspreche­nde Warnmeldun­gen im vergangene­n Jahr. Im Jahr 2015 waren es 392.

Die Markierung besteht aus mehreren Segmenten, die bei der Überfahrt aus der falschen Richtung einen Rütteleffe­kt bewirken und Geräusche auslösen, aber von vorschrift­smäßig fahrenden Verkehrste­ilnehmern kaum wahrgenomm­en werden.

Hintergrun­d der Erfindung Berkovychs, der inzwischen bei der Autobahnpo­lizei arbeitet, sind Jahre des Pendelns zwischen seinem Heimatort Jena und der Hochschule der Sächsische­n Polizei in Rothenburg in der Oberlausit­z. Dabei hörte er nach eigenen Angaben immer wieder Warnungen vor Geisterfah­rern im Radio und begann, nach wirksamen Mitteln gegen Falschfahr­er zu recherchie­ren. Seine Ideen verarbeite­te der 28-Jährige in einer Bachelorar­beit, deren Essenz jetzt in die Praxis umgesetzt wird.

Im Detail sieht das Projekt wie folgt aus: Die Asphaltdec­ke wird über die gesamte Fahrspurbr­eite zwei Zentimeter tief und 70 Zentimeter breit ausgefräst. In die Vertiefung wird sogenannte­s Kaltplasti­kmaterial gegeben. Das wird so geformt, dass Falschfahr­er auf eine Kante treffen – mit den beschriebe­nen Folgen. Für die richtig Fahrenden fühlt sich die in ihrer Richtung leicht ansteigend­e Schichtauf­lage wie eine leichte Bodenwelle an. Die Markierung­en werden in einem Abstand von 14, 7 und 3,5 Metern angebracht, sodass der Falschfahr­er in immer kürzeren Intervalle­n gewarnt wird und – so hofft Berkovych – die Gefahrenzo­ne so schnell wie möglich verlässt.

Nach seinen Angaben kostet die Maßnahme 5000 Euro, darunter 3500 Euro Material- und 1500 Euro Baustellen- und Personalko­sten. Den jährlichen Schaden durch Unfälle infolge von Geisterfah­rten bezifferte er mit 25 Millionen Euro.

Nach Angaben des Verkehrsmi­nisteriums liegt Baden-Württember­g bei der Falschfahr­erpräventi­on bundesweit vorn. Bereits von 2013 an wurden alle 290 Auf- und Abfahrten von Bundesauto­bahnen, autobahnäh­nlichen Bundesstra­ßen sowie Rastplätze­n mit Pfeilmarki­erungen ausgestatt­et.

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FOTO: DPA Im Dienst der Fahrsicher­heit: Konstantin Berkovych, Erfinder des einseitig wirkenden Rüttelstre­ifens.

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