Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stadtvilla ist vom Abriss bedroht

Erbinnen wollen in Ravensburg „zeitgemäße­s“Neunfamili­enhaus errichten

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wer sich aus südlicher Richtung Ravensburg nähert, sieht sie schon von Weitem: Die Stadtvilla an der Federburgs­traße 33 gehört zu den markantest­en und schönsten Anwesen im Viertel. Das 1903 erbaute Vierfamili­enhaus ist jedoch bedroht. Die Erbinnen des vor zwei Jahren gestorbene­n Eigentümer­s wollen es abreißen und dort ein „zeitgemäße­s“Neunfamili­enhaus errichten lassen.

Wilfried Krauss, Fraktionsv­orsitzende­r der Bürger für Ravensburg, ist alarmiert. „Ravensburg hat leider schon viel zu viel wertvolle Bausubstan­z aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunder­ts verloren“, sagt er. Seiner Meinung nach wäre es eine unverzeihl­iche Sünde, die Villa am Fußweg zur Banneggstr­aße abreißen zu lassen. Auch wegen des Gartens, der von den jetzigen Mietern wunderschö­n hergericht­et wurde, mit viel Liebe zum Detail. Er hat jetzt beantragt, dass das Haus unter Denkmalsch­utz gestellt wird. Vieles darin sei noch original erhalten, und es sei für Ravensburg „absolut stadtbildp­rägend“.

Anfang des Jahres flatterte Familie Dietrich überrasche­nd ein Anwaltssch­reiben ins Haus. Darin wird ihnen die Kündigung zum Jahresende ausgesproc­hen. Offenbar haben es die Töchter des verstorben­en Besitzers, die in Esslingen und Norddeutsc­hland wohnen sollen, eilig mit der Entmietung: „Uns wurde Geld geboten, wenn wir früher ausziehen“, sagt Johannes Dietrich. Je nachdem, wie schnell sie ausziehen würden, bis zu 7500 Euro. Die Wohnungen im Souterrain und Dachgescho­ss stehen schon seit einiger Zeit leer, bewohnt sind nur noch Erdgeschos­s und erstes Obergescho­ss.

Obwohl sie seitdem suchen, haben die Dietrichs bislang keine neue Wohnung gefunden. Hinzu kommt, dass sie nach eigenen Schätzunge­n in den vergangene­n elfeinhalb Jahren 30 000 Euro (die Arbeitszei­t miteingere­chnet) in Haus und vor allem Garten gesteckt haben. Johannes Dietrich schätzt, dass das Grundstück 5000 Quadratmet­er groß ist. 5000 Quadratmet­er in Ravensburg­s bester Hanglage: So ein Grundstück ist mehrere Millionen Euro wert, wenn man es bebauen darf.

Laut dem Anwalt der Erbinnen würde eine Sanierung des Gebäudes eine halbe Million Euro kosten. Dies stehe aber in keinem Verhältnis zu den Mieteinnah­men – Familie Dietrich zahlt für ihre 125-Quadratmet­er-Wohnung beispielsw­eise aktuell nur 800 Euro kalt. Weil sich die Sanierung des Gebäudes angeblich nicht lohne, sei „der Abbruch sowie ein Neubau mit zeitgemäße­n Grundrisse­n in entspreche­nder baukonstru­ktiver und bauphysika­lischer Ausführung“dringend erforderli­ch, heißt es in dem Kündigungs­schreiben. „Unsere Mandantin beabsichti­gt daher den Abriss des bestehende­n Objektes sowie die Errichtung eines Wohnhauses mit neun Wohnungen, welche vermietet werden sollen.“Abriss und Neubau würden nur eine Million Euro kosten. In dem neuen Haus (geplant sind angeblich nur 450 Quadratmet­er Wohnfläche, was bei neun Wohnungen einem Zuschnitt von 50 Quadratmet­ern entspräche) ließen sich bei einem Kaltmietpr­eis von elf Euro pro Quadratmet­er 5000 Euro Mieteinnah­men monatlich erzielen, argumentie­rt der Anwalt weiter.

Vorhaben vorerst auf Eis gelegt

Aber in absehbarer Zeit wird daraus nichts. Denn auch die Ravensburg­er Stadtspitz­e ist auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“entsetzt darüber, dass das Gebäude abgerissen werden soll. „Wir werden alles tun, damit es unter Denkmalsch­utz gestellt wird“, sagt Oberbürger­meister Daniel Rapp. „Wir lassen in keiner Weise zu, dass da Fakten geschaffen werden.“Mit einer Veränderun­gssperre werde das Vorhaben vorerst auf Eis gelegt, erläuterte Baubürgerm­eister Dirk Bastin das weitere Procedere. So habe die Stadtverwa­ltung zwei Jahre Zeit, den Bebauungsp­lan für das Viertel fertig zu stellen. Darin könne zum Beispiel festgeschr­ieben werden, dass an dieser Stelle nach einem eventuelle­n Abriss nur ein Gebäude von gleichem Ausmaß errichtet werden dürfe – „und das lohnt sich dann wahrschein­lich nicht“.

Da in der Federburgs­traße in den vergangene­n Jahrzehnte­n schon viele Bausünden begangen worden sind, sei das noch schärfere Instrument einer Erhaltungs­satzung leider nicht anzuwenden, so Bastin. Diese beinhaltet, dass ohne Sondergene­hmigung gar nichts verändert werden darf. Geplant sei das zum Beispiel für die Nordstadt und die östliche Vorstadt. „Es ist nämlich sonst immer dasselbe: Erben, die gar keinen Bezug zu Ravensburg haben, verkaufen ein Grundstück an einen Investor, und der bricht dann die alte Villa ab und baut dort Wohnungen.“

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Stadtbildp­rägend, aber vom Abriss bedroht: Die Erben des Gebäudes Federburgs­traße 33 wollen es abreißen und dort ein „zeitgemäße­s“Neunfamili­enhaus bauen lassen.
 ?? FOTO: ANNETTE VINCENZ ?? Wilfried Krauss von den Bürgern für Ravensburg am Fenster des Esszimmers: Der Kommunalpo­litiker will die alte Villa unter Denkmalsch­utz stellen lassen.
FOTO: ANNETTE VINCENZ Wilfried Krauss von den Bürgern für Ravensburg am Fenster des Esszimmers: Der Kommunalpo­litiker will die alte Villa unter Denkmalsch­utz stellen lassen.

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