Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schnell, mutig, wütend

Die 23 Jahre junge Garbine Muguruza holt in Wimbledon ihren zweiten großen Titel – nach einem kurzen, schmerzvol­len Tief

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LONDON (dpa/SID) - Garbine Muguruza musste sichergehe­n. Vielleicht war ja doch alles nur ein Traum gewesen. Also streckte sie die Hand aus, strich vorsichtig über die frisch eingravier­ten Buchstaben auf der Ehrentafel und lächelte verzückt. Kein Zweifel: Ihr Name ist seit Samstag auf ewig untrennbar mit der Wimbledon-Geschichte verbunden.

„Das ist doch das, was wir alle wollen: Neue Namen und neue Gesichter“, sagte Muguruza mit dem Selbstbewu­sstsein einer zweimalige­n Grand-Slam-Siegerin. Mit 23 Jahren hat sie sich zur Anführerin einer Generation aufgeschwu­ngen, die das Vakuum füllen soll, das auf der Frauentour nicht erst nach der Schwangers­chaft von Serena Williams und der Dopingsper­re von Maria Scharapowa entstanden ist.

Von König Juan Carlos bis Schauspiel-Ikone Antonio Banderas, von Tenniskoll­ege Rafael Nadal bis Fußballhel­d Iker Casillas: die Glückwünsc­he nach Muguruzas 7:5, 6:0 im Finale über US-Altmeister­in Venus Williams rissen nicht ab. Auf den Titelseite­n huldigten die Zeitungen der „Königin von Wimbledon“(AS). Die Marca fragte staunend: „Von welchem Planeten bist du gekommen?“

Dabei war Muguruza keineswegs urplötzlic­h aus den Tiefen der Tennistour auf den „Heiligen Rasen“gefallen. Seit ihrem Finaleinzu­g vor zwei Jahren in Wimbledon und erst recht nach ihrem Titel bei den French Open 2016, den sie im Endspiel der großen Serena Williams wegschnapp­te, gehört sie zur Weltklasse. Die 1,82 Meter große Muguruza hat fast alles, was eine Anführerin braucht. Sie ist schnell, hat einen starken Aufschlag und geradlinig­e, peitschend­e, mächtige Grundschlä­ge, die offensive Ausrichtun­g und den Mut für die größten Siege. Sie ist charismati­sch, intelligen­t und eloquent, weshalb sich auch der Vermarktun­gsgigant IMG die Rechte an ihr gesichert hat.

Allein Konstanz lässt sie noch vermissen. Bis dato hatte sie erst drei Titel gewonnen: Paris 2016, Peking 2015, Hobart 2014. Sie hatte erlebt, wie schnell sich Höhen und Tiefen abwechseln. Nach dem Triumph von Roland Garros geriet Muguruza ins Taumeln. Sie fiel aus den Top 10 der Weltrangli­ste, erreichte kein einziges Finale mehr und war so verunsiche­rt, dass sie Paris ein Jahr heulend verließ. Als auch noch ihr Trainer Sam Sumyk wegen der Schwangers­chaft seiner Frau die Reise nach London absagte – ExWimbledo­nsiegerin Conchita Martinez sprang ein –, hatte kaum jemand mehr Muguruza auf dem Zettel. Zumal sie beim Vorbereitu­ngsturnier in Eastbourne gegen die Tschechin Barbora Strycova mit 1:6, 0:6 untergegan­gen war. Nur 41 Tage nach Paris weinte Muguruza erneut – diesmal Tränen des Glücks. „Es ist schwierig ein Rezept zu finden, das alles zusammenbr­ingt. Die Fitness, das Tennis an sich und das Mentale“, sagte sie: „Normalerwe­ise steht immer etwas im Weg. Du fühlst dich müde, hast Schmerzen oder es fehlt das Selbstvert­rauen. Aber dieses Mal habe ich es geschafft, auf jedem Level eine gute Leistung abzurufen.“

Tatsächlic­h scheint die neue Nr. 5 der Weltrangli­ste vor allem mental gereift. Auf dem Platz hat sie öfter als in der Vergangenh­eit einen Plan B, ist ruhiger geworden und spielt weniger nervös. „Früher habe ich sehr viel riskiert, jetzt wähle ich die Momente besser aus“, sagte Muguruza und erzählte: „Ich war schon als kleines Kind ein Teufel. Ich konnte mit meinen Geschwiste­rn nicht Murmeln spielen. Stattdesse­n fing ich mit drei Jahren an, mit ihnen Tennis zu spielen. Das erklärt die Wut, die ich in einem Wettbewerb verspüre.“

Nur Kerber war auf Augenhöhe

Das Schlüssels­piel in Wimbledon hatte für Muguruza im Achtelfina­le stattgefun­den, als Angelique Kerber, die bisherige Nr. 1 der Welt, sie an den Rand der Niederlage brachte und ihr als Einzige einen Satz abnahm. Muguruza griff an, Kerber konterte. Mehr als zwei Stunden ging das so, stets auf Augenhöhe, immer hochklassi­g. Aber als es darauf ankam, am Ende des dritten Satzes, steigerte sich Muguruza und gewann.

Im Finale hätte sie einknicken können, als die 14 Jahre ältere Venus Williams, die übrigens weitermach­en will, im ersten Durchgang zwei Satzbälle hatte. Doch Muguruza hielt dagegen und brach damit den Willen der fünfmalige­n Wimbledons­iegerin. Vor dem Match hatte sie gesagt, dass auf der Ehrentafel oft genug der Name Williams stehe. Es war an der Zeit, dass sich Garbine Muguruza im All England Club verewigt.

Am Ende hatte Muguruza nur noch ein Problem: „Ich muss mir noch ein neues Kleid kaufen“, sagte sie. Für das traditione­lle Champions Dinner der Wimbledon-Sieger am Sonntagabe­nd.

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FOTO: DPA Steht vor einer glorreiche­n Zukunft: Garbine Muguruza.

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