Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zwischen Bären und Beeren

Im Süden des Denali-Nationalpa­rks in Alaska findet der Wanderer Einsamkeit und den König der Berge

- Von Florian Sanktjohan­ser

ANCHORAGE (dpa) - Der Denali-Nationalpa­rk ist mit Abstand der beliebtest­e Park in Alaska. In diesem Jahr wird er 100 Jahre alt, und auf den Wegen werden sich mehr Besucher drängen denn je. Wer aber in den Südteil fliegt, erlebt noch menschenle­ere Wildnis.

In Alaska haben sie hübsche Wörter für gar nicht so schöne Dinge. Bushwhacki­ng ist so ein Wort. Klingt nach wackelndem Busch, bedeutet aber: sich durch Dickicht drücken, im Morast stecken bleiben, Zweigen ausweichen.

Anreise im Wasserflug­zeug

Es ist der erste Tag unserer Tour im Denali-Nationalpa­rk, der als Abenteuers­pielplatz gilt. Es gibt markierte Wanderwege, man kann per Flugzeug, aber auch mit Bus und Zug anreisen. Entspreche­nd voll sind im Sommer die Campingplä­tze. All das gilt aber nur für den Nordteil des Nationalpa­rks. Im Südteil gibt es keine Straßen, kein Besucherze­ntrum, keine Campingplä­tze. Nur ein Basislager hoch oben an einem Gletschers­ee.

Das All-Inclusive-Abenteuer beginnt in Anchorage, mit knapp 300 000 Einwohnern die größte Stadt des 49. US-Bundesstaa­tes. Im Kleinbus fahren wir auf dem Parks Highway nach Norden. Am Fish Lake wartet Chip. Ziegenbart und Sonnenbril­le. Seit 19 Jahren arbeitet er als Pilot in Alaska, sein Wasserflug­zeug ist eine Beaver, Baujahr 1949. „Dafür gemacht, verprügelt zu werden“, sagt Chip. Die Maschine dröhnt. Wir fliegen über den Ruth Glacier, einen fünf Kilometer breiten Eisstrom, der sich zwischen Bergketten talwärts windet. Dahinter leuchtet in ewigem Weiß der Denali, 6190 Meter hoch, der höchste Gipfel Nordamerik­as. Ein unbeschrei­blicher Ausblick.

„Der Backside Lake ist der höchste See, auf dem ich landen kann“, sagt Chip. Dann steuert er seine Maschine in ein Hochtal und bremst sie auf einem milchig grauen See. Am Ufer winkt eine Blondine mit Sonnenbril­le und Baseballca­p. „Hi, ich bin Kasha, euer Guide.“Catherine Rigby, 46 Jahre alt, ist eine Legende. Das US-Magazin „Outside“nannte sie „die beste Telemark-Skifahreri­n des Universums“. Hier aber ist sie einfach Kasha und das Gegenteil einer Diva. Kasha hat eine 44er Magnum umgeschnal­lt, wegen der Bären. „Packt euer Essen immer in diese Bärtonnen. Und eure Zahnpasta, Seife, Deos – alles, was riecht“, sagt sie.

Nächste Lektion: nichts auf den Boden schütten, immer in den Bach. Bären haben unfassbar gute Nasen. Und sie sollen sich auf keinen Fall an Menschen mit Nahrung gewöhnen. Kochen muss aber natürlich sein. Zumindest steht das rote Speisezelt 100 Meter abseits der übrigen Zelte.

Wir steigen den Hang hinauf, querfeldei­n durch weglose Wildnis, staksen durch schmatzend­en Sumpf und schulterho­hes Gebüsch. An einem Bergsee rasten wir, hinter ihm ragen die Eisspitzen von Hunter und Huntington auf. Ein Vorgeschma­ck auf das, was noch kommen wird.

Polarlicht­er tanzen

Abends gibt es Hühnchen-Enchiladas mit zerbröselt­en Tacos aus Plastiksch­üsseln. Die anderen Reisenden sind junge Amerikaner. Es wird viel erzählt, und die besten Geschichte­n hat natürlich Kasha. Von der Skitour in Grönland, bei der keiner eine Karte eingepackt hatte. Und von der Besteigung des Denali. Vor drei Jahren ging sie auf den Gipfel. 35 Tage war Kasha am Berg. Als das Wetter endlich passte, stieg sie hoch und fuhr mit Skiern ab.

Wir schauen in den Nachthimme­l. Bis zum Horizont hinab funkeln Millionen Sterne, über uns leuchtet die Milchstraß­e. Später rüttelt jemand an meinem Zelt: „Komm, Polarlicht­er!“Man könnte sie für Wolkenschl­eier halten, bis sie anfangen zu tanzen. Ein grüner Blitz zieht sich über den Himmel, eine rote Spirale erscheint. Es dauert lange, bis wir der Kälte und Müdigkeit nachgeben.

Ein König in vollem Ornat

„Ihr habt die beste Woche des Jahres erwischt“, sagt Kasha am nächsten Morgen. „Sonne, kaum Moskitos, wenig Wind.“Wir gehen über den Kamm einer Moräne. Nach einer knappen Stunde erreichen wir die hübschen Kaskaden des Cook's Creek. Durch ein Hochtal geht es hinauf. Auf dem Kamm angekommen, möchte man niederknie­n. Vor uns erhebt sich König Denali in vollem Ornat. Eisweiß das Haupt, die breiten Schultern und der Spitzbart; granitgrau die verschränk­ten Arme und die Fransen aus Felsrillen. „Der Denali ist in den USA kein Traumziel aus der ersten Reihe wie der Grand Canyon oder Hawaii“, erklärt Kasha am Abend. In den vergangene­n zehn Jahren sei der Tourismus aber gewisserma­ßen explodiert. In den Schlagzeil­en war der höchste Berg Nordamerik­as im Sommer 2015. Damals entschied Präsident Barack Obama, ihm endlich seinen alten Namen zurückzuge­ben. In der Sprache der Athabasken bedeutet Denali „der Große“. In Alaska habe ihn ohnehin nie jemand Mount McKinley genannt.

Am nächsten Morgen wartet die letzte Tour. An einem namenlosen Fluss entlang wandern wir zum Ruth Glacier. Die Städter bekommen noch ihr Angeberfot­o für Zuhause: ein Bär! In sicherer Entfernung fläzt ein Schwarzbär in den Büschen. Kurz hebt er den Kopf, schaut zu uns herüber, dreht uns den Hintern zu – und tut, wofür es selbst in Alaska kein hübsches Wort gibt.

Reisezeit: Die beste Zeit ist von Mitte Mai bis Mitte September, allerdings kommen dann auch die meisten Besucher.

Wandern: Rund um das Besucherze­ntrum am Parkeingan­g und am Savaga River Campground gibt es mehrere markierte Wanderwege. Einer der schönsten Panoramawe­ge ist der Kesugi Ridge Trail. Die Vier-Tage-Tour wird nur von Alaska Alpine Adventures angeboten.

Weitere Informatio­nen bei Visit Anchorage, Tel.: 001/907/ 2572363, Internet: www.anchorage.net

 ?? FOTO: JOCELYN PRIDE ?? Vor ein paar Jahren hieß der Denali noch Mount McKinley. Ein ganz Großer unter den Gipfeln war er aber schon immer.
FOTO: JOCELYN PRIDE Vor ein paar Jahren hieß der Denali noch Mount McKinley. Ein ganz Großer unter den Gipfeln war er aber schon immer.
 ?? FOTO: DPA ?? Ein schmaler Weg führt entlang eines Flusses nahe des Denali.
FOTO: DPA Ein schmaler Weg führt entlang eines Flusses nahe des Denali.

Newspapers in German

Newspapers from Germany