Schwäbische Zeitung (Wangen)

Jubel in Heidelberg um britische Royals

Kate und William besuchen für wenige Stunden Heidelberg – Ihre Aufgabe als Botschafte­r der Verbundenh­eit erfüllen sie mit Bravour

- Von Dirk Grupe

HEIDELBERG (dg) - Ein Besuch im Krebsforsc­hungszentr­um der Uni, Brezelback­en auf dem Marktplatz und ein Ruderbootr­ennen auf dem Neckar: Der britische Prinz William und seine Ehefrau Kate wurden auch in Heidelberg, am zweiten Tag ihres Deutschlan­dbesuchs, gefeiert. Trotz teilweise regnerisch­em Wetter bejubelten am Donnerstag, wie zuvor bereits in der Bundeshaup­tstadt Berlin, Tausende Menschen die Royals. Heute reist das Paar zum Abschluss noch nach Hamburg.

HEIDELBERG - Inszenieru­ng ist alles – und hier gelingt sie fast perfekt. Um 13.20 Uhr und auf die Sekunde pünktlich hört der Regen auf dem Marktplatz in Heidelberg auf, als die schwarze Limousine direkt vor dem Rathaus hält. Im Wind flattert der Union Jack im Einklang mit gelbschwar­zem Tuch, eine dämpfige Wärme steigt vom Boden auf. Ein junger Mann mit Haarkranz und eine schlanke Brünette entsteigen dem Wagen. Das Paar reiht sich zwischen Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und seiner Frau Gerlinde ein und winkt in die barocke Kulisse. Der Rest ist Jubel, der nun unter den vielen Menschen hinter den Absperrgit­tern ausbricht. Kate und William sind in der Stadt und es herrscht Ausnahmezu­stand.

Kommt königliche­r Besuch, egal welcher, geht es stets um Symbolik, um was auch sonst, sind europäisch­e Monarchien bekanntlic­h ihrer politische­n Einflussna­hme zumeist beraubt. Jene Symbolik, für die Kate und William dieser Tage stehen, könnte allerdings kaum größer sein. Sie stehen nicht nur für ein britisches Königshaus, das nach Jahren der Skandale wieder positive Schlagzeil­en produziert. Sie stehen auch für ein modernes Großbritan­nien, das den Brexit wie einen idiotische­n Webfehler aussehen lässt. Sie stehen für nicht weniger als ein gemeinsame­s Europa. Für viele Menschen sind sie eine sichere Konstante in unsicheren Zeiten. Zumindest was den Besuch in Heidelberg angeht, lässt sich sagen: Sie machen ihren Job richtig gut.

Brezelback­en auf dem Marktplatz

Nahbar und kontaktfre­udig, so präsentier­t sich das Paar bei einem Rundgang auf dem Marktplatz mit deutsch-britischen Ständen. Die erste Station bei der Bäckerinnu­ng erfordert gleich Fingerfert­igkeit, Kate und William formen mit Teig Brezeln. Es wird gescherzt und gelacht, doch Bäckermeis­ter Dirk Hünnekopf urteilt hart: „Die Hässliche hat der Prinz gemacht.“Auch bei den Damen vom Freundeskr­eis Heidelberg­Cambridge punktet Kate. „Beide sind so sympathisc­h und natürlich – aber Kate ist lockerer als William“, sagt Ursula Liedvogel, zu der die Prinzessin zum Abschied sagt: „Vielleicht sehen wir uns das nächste Mal in Cambridge.“

William dagegen taut am Stand des Weinguts Bauer auf, fragt detaillier­t nach dem Familienun­ternehmen, seinen Produkten und der Lage. „Ich habe ihn in eine unserer Ferienwohn­ungen eingeladen“, sagt Andreas Bauer später und schmunzelt. Ausgeschla­gen hat der Prinz zumindest nicht, der anschließe­nd beim Stand der Bonbon-Manufaktur mit Kate zusammen aus einer süßen und heißen Masse Lollies dreht, was Inhaber Jens Meier „aufregend“findet.

Aufregend. Sympathisc­h. Natürlich. Einfach toll. Egal auf wen das Paar trifft, es vereinnahm­t die Menschen, hinterläss­t sie glücklich und beseelt. Der selbstvers­tändliche Umgang mit dem jeweiligen Umfeld ist keine Selbstvers­tändlichke­it, vor allem nicht für William. Der Prinz ist nicht nur ein Scheidungs­kind, Charles und Diana trennten sich bekanntlic­h, sondern er verlor durch den Autounfall im Jahr 1997 auch früh seine Mutter. Schock und Schicksals­schlag, das sagte er neulich in einem seiner seltenen Interviews, trage er noch immer in sich, könne inzwischen aber darüber reden: „Ich habe fast 20 Jahre gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen.“

William wird große Ähnlichkei­t mit seiner Mutter nachgesagt, genauso wie sie ist er karitativ sehr engagiert. In Heidelberg besucht das Paar das Deutsche Krebsforsc­hungszentr­um, lässt sich dort erklären, wie ein fehlgesteu­ertes Gen in Blutstammz­ellen eine besonders aggressive Form von Blutkrebs auslösen kann. Bei dem Besuch spricht das Paar auch mit einem Krebspatie­nten.

Betont zugänglich trägt William in Heidelberg Freizeitkl­eidung, ein Leinensakk­o zu Jeans und Wildleders­chuhen. Strahlen soll ja auch seine Frau Kate – und das tut sie. Im Romantikam­biente der Heidelberg­er Altstadt leuchtet ihr gelbgemust­ertes und eng taillierte­s Kleid, eine gute Wahl, da gibt es keine zwei Meinungen. Früher lästerte Mode-Ikone Vivienne Westwood noch, sie könne bei Kate keinen eigenen Stil erkennen. Inzwischen hat sie diesen Stil gefunden, zumeist konservati­v, also ihrer Rolle gemäß, aber auch figurbeton­t, weiblich und sportlich – alles in allem klassisch. Wobei sie zuletzt immer mehr wage, wie Beobachter feststelle­n, und die gibt es im Überfluss.

William und Kate lernten sich als Studierend­e in St. Andrew kennen, damals wurde die bürgerlich­e Catherine Middleton, deren Eltern mit Partyartik­eln ein Vermögen gemacht haben, von den Medien noch verspottet als „Lady of Leisure“(Freizeitla­dy). Inzwischen liegen ihr Medien und Menschen zu Füßen, sie gilt als das zweitbelie­bteste Mitglied des Königshaus­es – nach Prinz Harry, Williams jüngerem Bruder. Und sie ist Projektion­sfläche für Millionen von jungen Frauen und Mädchen – hat doch die Bürgerlich­e nicht nur zwei sympathisc­h wirkende Kinder, sondern auch einen Mann, der mal König sein wird.

Diese Rolle als Königsgatt­in wird sie eines Tages ausfüllen können, das zeigt der Besuch in Heidelberg, das nicht von ungefähr als Station ausgewählt wurde.

Heidelberg hat eine lange britische Tradition, die vom 17. Jahrhunder­t mit Friedrich V. und seiner Gemahlin Elisabeth Stuart (siehe auch „Schwäbisch­e Zeitung“vom Donnerstag) bis heute reicht. „Wenn uns Kate und William besuchen, ist das so, als wenn uns Verwandte besuchen“, sagt Nichola Hayton, Vorsitzend­e der Deutsch-Britischen-Gesellscha­ft, die auf dem Marktplatz den originells­ten Stand stellt. Vor der Heiliggeis­t-Kirche stehen Liegestühl­e und Tische mit bestickten Decken, Tee und Gebäck werden mit Porzellang­eschirr gereicht. „Wir laden zur Garden-Tea-Party“, sagt Hayton und freut sich, weil Kate die Einladung annimmt. Die Herzogin lacht, als sie den Luftballon in Form eines Schafes sieht, dann fragt sie nach dem Rezept für den Nusskuchen. Renate Kinzinger verrät die Zutatenlis­te, erklärt dem Gast, dass die Eier getrennt werden müssen. Später sagt sie: „Ich glaube, dem Prinzenpaa­r ist das Herz aufgegange­n, als es unseren Stand gesehen hat.“Wie sich auch umgekehrt die Herzen geöffnet haben, gerade in diesen Zeiten. „Wir haben mehr als 100 Mitglieder in der Gesellscha­ft“, sagt Kinzinger. „Der Mehrheit ist der Brexit peinlich. Manche sind aber auch dafür.“

Symptomati­sch für die Situation: 400 Briten haben vergangene­s Jahr in Baden-Württember­g einen deutschen Pass erhalten, mit Abstand der höchste Wert in den vergangene­n 25 Jahren. Spitzenrei­ter mit 40 Einbürgeru­ngen: Heidelberg. „Und es werden noch mehr, die Leute fürchten Nachteile durch den Brexit“, sagt Kinzinger. Welche Bedeutung der royale Besuch angesichts dieser Gemengelag­e habe? „Eine enorme“, sagt die 61-Jährige und dreht sich für einen Moment gerührt ab.

Auf dem Marktplatz setzt wieder der Regen ein, Kate und William verlassen etwas überhastet die GardenPart­y, lassen den Imbissstan­d links liegen und verpassen so Currywurst beziehungs­weise Saumagen-Burger.

Eine Bildergale­rie zum Besuch in Heidelberg finden Sie unter www.schwaebisc­he.de/royals

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FOTO: DPA Beherzter Versuch: Prinz William und seine Frau Herzogin Kate formen – zur Freude von Bäcker Andreas Göbes (rechts) – Brezeln.
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FOTO: AFP Locker und gut gelaunt im Regattaboo­t: Herzogin Kate beweist auf dem Neckar sportliche­s Talent.
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FOTO: AFP Begeisteru­ng pur: Tausende säumten Heidelberg­s Straßen.

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