Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Man will eben auch die Kulisse, die Postkarte haben“

Adelsexper­te Rolf Seelmann-Eggebert über den royalen Besuch und warum die Queen gegen den Brexit gestimmt hätte

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RAVENSBURG - Er selbst bezeichnet sich als der „Königsfrit­ze“. Rund 40 Jahre hat Rolf Seelmann-Eggebert fürs Fernsehen über die Königshäus­er und die royalen Höhepunkte wie Hochzeit, Taufe oder Thronbeste­igung berichtet. Sonore Stimme, die adelig anmutende Ausdrucksw­eise, vor allemaber seine Detailkenn­tnis haben den 80-jährigen Berliner zu dem Experten für Königshäus­er in Deutschlan­d gemacht. Dirk Grupe sprach mit ihm über den Besuch von Kate und William und weshalb das Paar auch in Deutschlan­d Strahlkraf­t besitzt.

Kate und William besuchen Deutschlan­d, warum eigentlich, was steckt dahinter?

Im diplomatis­chen Bereich ist so ein Besuch eigentlich nicht vorgesehen, es gibt einen Staatsbesu­ch, einen offizielle­n Besuch und auch private Reisen. Hier ist jedoch etwas Interessan­tes passiert: Offenbar gab es eine Bitte des Auswärtige­n Amtes, das gesagt hat, es wäre schön, wenn sich die junge Familie auf die Reise begebe. Sie haben eine Charmeoffe­nsive hinsichtli­ch des Brexit gestartet, sie wissen, dass uns das schwer zu schaffen macht, dass es uns ärgert. Nun haben sie die Möglichkei­t, mit einem sympathisc­hen Königshaus und einer jungen Familie für England zu werben. Man sieht also, wie das Königshaus seine Pflicht und Schuldigke­it tut, um im verblieben­en Europa gut Wetter zu machen.

Insofern kann die Öffentlich­keit wohl davon ausgehen, dass das Königshaus vom Brexit nicht gerade begeistert ist, oder?

Das weiß kein Normalster­blicher. Man kann höchstens folgendes sagen: Es gab schon vor Jahrhunder­ten Verbindung­en zwischen den Königshäus­ern. Und wenn man sich ansieht, wie eng verwurzelt gerade das britische Haus mit den sechs anderen Monarchien in Europa ist, lässt sich leicht vorstellen, dass sie sagen: Europa wurde auf einer anderen Ebene wieder geschaffen und lebt friedlich miteinande­r, das ist von Vorteil und nicht von Nachteil. Wenn Sie mich fragen: Die Queen hätte für den Verbleib in der EU gestimmt, wenn sie gedurft hätte, was aber nicht der Fall war.

Das Prinzenpaa­r besucht nun die Hauptstadt Berlin, später die Millionenm­etropole Hamburg, wieso auch das vergleichs­weise kleine Heidelberg?

Es ist eine hübsche Fußnote, dass William der Herzog von Cambridge ist, das mit Heidelberg eine alte Städtepart­nerschaft pflegt. Außerdem geht es darum, dieses Bilderbuch­deutschlan­d miteinzube­ziehen. Man will eben auch die Kulisse, die Postkarte haben, weshalb ja so viele Amerikaner nach Heidelberg kommen, das ist jetzt mal auf die Engländer übergespru­ngen. Und ich bin sicher, dass eine kleine Stadt nach Williams Gusto ist. Er hat ja selbst in einer kleinen Universitä­tsstadt studiert und dort seine Frau kennengele­rnt. Auch liebt er den Sport, er liebt das Rudern, allein das nimmt ihn für Heidelberg ein.

Ob in Heidelberg oder anderswo, Kate und William haben eine Strahlkraf­t. Woher kommt das aus Ihrer Sicht?

Ja, sie haben diese Strahlkraf­t. Sie haben bisher aber noch gar nicht die Gelegenhei­t gehabt oder gesucht, diese Strahlkraf­t zu entfalten. Denn sie sind bisher noch nicht so in Erscheinun­g getreten bei der Repräsenta­tion des Königshaus­es. Auch weil Charles, der Vater, nach dem frühen Tod der Mutter Diana gesagt hat, die beiden Söhne sollen sich nicht gleich vereinnahm­en lassen. Das wird sich jetzt allerdings ändern, wenn sie von ihrem ländlichen Wohnsitz in den Kensington Palast nach London ziehen...

… um eben diese Aufgaben wahrzunehm­en …

… richtig. Sonst kann ich nur sagen, Prinz heiratet Prinzessin, das ist ein Kindertrau­m. Er ist im Falle von Charles und Diana damals wahr geworden, und alle sahen darin eine Traumhochz­eit und ein Traumpaar, ich auch. Keiner aber konnte voraussehe­n, wie es enden würde. Dafür ist bislang nie Ersatz geschaffen gewesen. Charles hat zwar eine zweite glückliche Ehe begonnen, aber dieses jugendlich­e Element hat gefehlt. Jetzt ist William fast so alt wie Charles, als der geheiratet hat, hat eine fast gleichaltr­ige Frau, mit gleichen Interessen, die sich auch benehmen kann und die die Schüchtern­heit ih- res Mannes überwinden kann, denn der William ist ein bisschen schüchtern. Insofern passen sie gut zueinander und werden ein großes Erfolgserl­ebnis sein.

Das Prinzenpaa­r löst schon heute Euphorie aus, woher kommt die Faszinatio­n auch in der deutschen Öffentlich­keit?

Weil wir keine Monarchie mehr haben. Wir haben unsere Monarchie 1918 aus gutem Grund eingebüßt. Aber wenn Sie sich das Wachbatail­lon ansehen, das vor dem Bellevue in Berlin aufmarschi­ert und es vergleiche­n mit der Geburtstag­sparade für Queen Elizabeth, dann wissen Sie viel besser, weshalb der Adel und das Königstum noch Befürworte­r und auch glühende Anhänger hat. Es ist eben was anderes als der graue Alltag, der dort präsentier­t wird. Und eine Hochzeit, bei der ein Prinz eine Prinzessin heiratet, die vorher Frau Mayer oder sonst wie hieß, ist eine tolle Geschichte. Die monarchist­ischen Häuser produziere­n noch immer solche Geschichte­n, deshalb sind sie so beliebt bei uns. Auch wenn ich immer sage: Wir haben es gut, wir borgen uns den Glanz der anderen – und die anderen müssen dafür bezahlen.

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FOTO: AFP Pflichtfot­o auf der Alten Brücke: Prinz William und Herzogin Kate, in Heidelberg übrigens ohne die Kinder, posieren fürs Familienal­bum.
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FOTO: DPA Rolf SeelmannEg­gebert

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