Reformatorenfenster werden aufpoliert
Restauratorin widmet sich Kulturdenkmalen der Stadtkirche in Ravensburg – Ausstellung im Oktober
RAVENSBURG - Die evangelische Stadtkirche in Ravensburg besitzt wahre Schätze: Kulturschätze. Es sind Fenster des Glasmalers Ludwig Mittermaier, die er vor über 160 Jahren extra für Ravensburg angefertigt hat. Die Kunstwerke sind eine Rarität in Deutschland – und nun in den Fokus des Landesdenkmalamtes gerückt.
Besucher der evangelischen Stadtkirche dürften die sieben Fenster am südlichen Seitenschiff kennen: Es sind die sogenannten „Reformatorenfenster“. Sie zeigen wichtige Persönlichkeiten der Reformation: Friedrich den Weisen von Sachsen, Philipp Melanchthon, Martin Luther, Ulrich Zwingli, Herzog Christoph von Württemberg, Propst Johannes Brenz und Gustav Adolf.
Neogotik war plötzlich out
Was mancher Kirchenbesucher vermutlich nicht weiß: Im Jahr 1861 hat Ludwig Mittermaier aus Lauingen die Fenster gefertigt. „Der bayerische Maler und Anstreicher war Autodidakt und hat sich die Glasmalerei selbst angeeignet“, erzählt Restauratorin Dunja Kielmann. Als die Ravensburger Stadtkirche im 19. Jahrhundert im neugotischem Stil renoviert wurde, hat Mittermaier den Auftrag bekommen, neue Fenster für die gesamte Kirche zu gestalten. 22 waren es an der Zahl.
Heute sind von den insgesamt 22 Fenstern nur noch die sieben Reformatorenfenster an ihrem ursprünglichen Platz. Der Rest musste bei der vergangenen Kirchensanierung in den Jahren 1965 und 1966 weichen. Damals beschloss die Gemeinde, die Kirche wieder heller und freundlicher zu machen. Die neogotischen Elemente entsprachen nicht mehr dem Geschmack der Zeit und mussten weg – und mit ihnen die Mittermaier-Fenster.
Jedoch wurden nicht alle Mittermaier-Fenster entnommen. Denn sowohl der Augsburger Stadtarchivar und Mittermaier-Verehrer Reinhard H. Seitz als auch der neu engagierte Glaskünstler Hans Gottfried von Stockhausen setzen sich für einen Erhalt der Fenster ein. Die Reformatorenfenster durften also bleiben, wo sie waren.
Und die restlichen Fenster? „Die Stifterwappen der Fenster des nördlichen Seitenschiffs wurden zu einem Wappenfenster zusammengeführt, das sich heute im Landgerichtshofgang der Kirche befindet“, berichtet Restauratorin Kielmann. Weniger gut trafen es die Ost- und Westfenster, die Fenster der Nordseite und des südlichen Chores – 15 an der Zahl: Sie wurden senkrecht in Holzkisten im Keller gelagert. „Dort sind sie wegen des Gewichts abgesunken“, sagt die Expertin. „Es kam zu Glasbrüchen und Fehlstellen.“
In Schubladen verstaut
Im Rahmen eines zweijährigen Projekts hat Dunja Kielmann vom Landesamt für Denkmalpflege die Aufgabe bekommen, die Mittermaier-Kulturschätze genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie hat die Bestände im Keller aus den Kisten gepackt, gereinigt, fotografiert, dokumentiert und anschließend waagrecht in einem neuen Schubladenregal verstaut. Über 350 Schubladen sind auf diese Weise gefüllt worden. Auch eine Darstellung der Auferstehung Jesu sowie eine Darstellung des Königs David waren in den Kisten.
Die sieben Reformatorenfenster sollen eine noch umfangreichere Behandlung erfahren. Kielmann erklärt: „Die Fenster zählen zu den bedeutendsten und einzigartigsten Glasfenstern dieser Art in Deutschland.“Um zu schauen, welche Schäden die Fenster haben und was gemacht werden muss, haben Kielmann und Diplom-Restauratorin Kathrin Rahfoth aus Erfurt eine Musterrestaurierung gemacht. Dafür entnahmen sie fünf Felder aus dem Brenz-Fenster und analysierten sie genauer.
Festgestellt haben die Expertinnen zum Beispiel, dass es einige Glasbrüche gibt, dass frühere Sprünge mit Sprungbleien gesichert wurden und dass dringend eine Außenschutzverglasung installiert werden muss. Alle Auffälligkeiten und Lösungsvorschläge werden in einem Leistungsverzeichnis zusammengefasst, das dem Ausschreibungsverfahren einer folgenden Restaurierungsmaßnahme als Grundlage dient. Wann genau die Fenster zur Restaurierung herausgenommen werden und was das alles kostet, steht noch nicht fest.
Einen Termin gibt es allerdings schon – nämlich den für die Ausstellung. Vom 21. Oktober bis zum 24. November wird es in der evangelischen Stadtkirche eine Präsentation der Reformatorenfenster samt ihrer Entstehungsgeschichte und ihres (kultur-) geschichtlichen Hintergrundes geben. Am 23. November hält Jörg Widmaier vom Landesamt für Denkmalpflege um 19 Uhr zudem einen Vortrag zum Thema „Ein Blick durch die Ravensburger Reformatorenfenster: Kulturdenkmale der Reformation in Baden-Württemberg“.