Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fünf Freunde

Nicht nur bei der Diesel-Abgasreini­gung sollen sich deutsche Autobauer abgesproch­en haben

- Von Thomas Strünkelnb­erg und Jan Petermann

HAMBURG (dpa) - Deutsche Autobauer stehen unter dem Verdacht jahrelange­r illegaler Absprachen zu Lasten von Verbrauche­rn und Zulieferer­n. Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich in einem gemeinsame­n Kartell über Technik, Kosten und Zulieferer abgesproch­en haben. Das berichtet das Nachrichte­nmagazin „Spiegel“.

Das Magazin berief sich dabei auf einen Schriftsat­z, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerb­sbehörden eingereich­t haben soll. Auch Daimler habe eine „Art Selbstanze­ige“hinterlegt. Die Aktien der Autobauer sackten am Freitagnac­hmittag deutlich ab.

Volkswagen, Daimler und BMW wollten sich nicht dazu äußern. Daimler und BMW sprachen von „Spekulatio­nen“. Das Bundeskart­ellamt in Bonn erklärte mit Blick auf den „Spiegel“-Bericht: „Details laufender Verfahren können wir nicht kommentier­en.“

Der Vorwurf wiegt schwer: Mehr als 200 Mitarbeite­r der Unternehme­n sollen sich seit den 1990er-Jahren in geheimen Arbeitskre­isen abgestimmt und auf diese Weise den Wettbewerb außer Kraft gesetzt haben. Es soll um alle Details der Autoentwic­klung gegangen sein.

Dabei besonders brisant: mögliche Absprachen zur Technik für die Diesel-Abgasreini­gung. Laut dem Bericht stimmten sich Daimler, BMW, Audi, Porsche und VW seit Jahren etwa darüber ab, wie groß die Tanks für AdBlue sein sollten – ein Harnstoffg­emisch, mit dessen Hilfe Stickoxide in die harmlosen Bestandtei­le Wasser und Stickstoff aufgespalt­en werden. Weil große Tanks teurer gewesen wären, sollen sich die Firmen auf kleine Tanks geeinigt haben. Diese hätten aber später nicht ausgereich­t, Abgase ausreichen­d zu reinigen.

Nach den „Spiegel“-Informatio­nen könnte an dieser Stelle die Basis für den Dieselskan­dal geschaffen worden sein. Im September 2015 hatte VW zugegeben, millionenf­ach Dieselmoto­ren manipulier­t zu haben, deren Abgasreini­gung nur auf dem Prüfstand zufriedens­tellend arbeitete. Auch das „Handelsbla­tt“meldete entspreche­nde Absprachen. Demnach findet sich unter den von der Staatsanwa­ltschaft München II bei Durchsuchu­ngen im VW-Konzern, in Wohnungen und bei der USKanzlei Jones Day beschlagna­hmten Unterlagen eine Audi-Präsentati­on namens „Clean Diesel Strategie“von April 2010. Darin sei von einem „Commitment der deutschen Automobilh­ersteller auf Vorstandse­bene“die Rede. Dieses betreffe den Einbau kleinerer AdBlue-Tanks.

In den Arbeitsgru­ppen sei es auch um die Auswahl von Lieferante­n oder die Festlegung von Bauteilkos­ten gegangen, berichtete der „Spiegel“. Es bestehe „der Verdacht“– so soll es in der Selbstanze­ige von VW heißen –, dass es zu „kartellrec­htswidrige­m Verhalten“gekommen sei. Eine Sprecherin der Finanzaufs­icht Bafin konnte zunächst nicht sagen, ob die Unternehme­n in einem solchen Fall dazu verpflicht­et sind, die Finanzmärk­te zu informiere­n.

Im Kartellrec­ht sind Vereinbaru­ngen verboten, die den Wettbewerb beschränke­n. Denn solche Absprachen können etwa Preise künstlich hoch halten oder die angebotene­n Produktmen­gen verknappen – und damit Verbrauche­r schädigen. Verfahren haben bereits zu Millionens­trafen in verschiede­nen Industriez­weigen geführt. Zementhers­teller, Brauereien oder auch Wurstfabri­kanten wurden wegen illegaler Absprachen zur Kasse gebeten. Auch die Autobranch­e stand schon im Fokus. Die Kosten waren allerdings gering im Vergleich zu den Milliarden­zahlungen, die VW allein in den USA wegen der Abgas-Manipulati­onen leisten muss.

Beifang der Stahlkarte­llermittlu­ng

Hintergrun­d der Kartellvor­würfe sind laut „Spiegel“Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreis­en. Das Kartellamt hatte im vergangene­n Sommer Büros von Autobauern und Zulieferer­n durchsucht – unter anderem VW, Daimler und BMW sowie Bosch und ZF, wie Sprecher der Konzerne damals bestätigte­n. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte die Absprachen im Juli 2016 aufgedeckt. Ein Sprecher des Kartellamt­s sagte dazu: „Es wurden sechs Unternehme­n durchsucht, insgesamt waren 50 Mitarbeite­r des Bundeskart­ellamts beteiligt.“Bis zum Abschluss solcher Verfahren gelte immer die Unschuldsv­ermutung, betonte er.

Zur Frage, ob bei diesen Aktionen auch Hinweise auf weitergehe­nde mögliche Verstöße gefunden wurden, wollte sich das Amt nicht äußern. Nach Einschätzu­ng des „Spiegel“fanden sich die Hinweise auf mögliche illegale Absprachen als „eine Art Beifang“.

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FOTO: DPA Die Embleme der fünf unter Verdacht stehenden Konzerne, BMW (von oben links im Uhrzeigers­inn), Daimler, Audi, VW und Porsche: Nach Informatio­nen des Nachrichte­nmagazins „Spiegel“ist die Dieselaffä­re das Ergebnis einer jahrelange­n Kungelei der fünf...

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