Schwäbische Zeitung (Wangen)

Am Ende der Geduld

EU-Kommissari­n Elzbieta Bienkowska droht 2018 Dieselauto­s stillzuleg­en, wenn sie nicht umgerüstet sind

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Die Kommission der Europäisch­en Union (EU) verliert in der Affäre um manipulier­te Abgaswerte bei Dieselfahr­zeugen die Geduld mit Mitgliedss­taaten und Automobilk­onzernen. Industriek­ommissarin Elzbieta Bienkowska soll alle Verkehrsmi­nister schriftlic­h aufgeforde­rt haben, die betroffene­n Autos aus dem Verkehr zu ziehen.

Das berichtet die „Süddeutsch­e Zeitung“, der der Brief Bienkowska­s an die Minister vorliegt. Nach Angaben des Blattes droht die Polin, dass zum Beispiel die Fahrzeuge von Volkswagen von 2018 stillgeleg­t werden müssten, wenn sie bis Ende dieses Jahres nicht umgerüstet seien. Die Forderung ist brisant, weil europaweit Millionen von Dieselauto­s noch nicht umgerüstet sind.

Die EU-Kommission wirft den nationalen Kontrollbe­hörden, vor allem dem deutschen Kraftfahrt­bundesamt, Versagen vor. Bienkowska­s nennt es nach Angaben der Tageszeitu­ng bestürzend, dass die neuen Verdachtsf­älle bei Audi und Porsche nicht von den zuständige­n Aufsichtsb­ehörden entdeckt wurden, sondern dass Staatsanwa­ltschaften sie aufgedeckt haben. Dem Blatt zufolge warnt die EU-Kommission allerdings auch vor einem generellen Fahrverbot für Dieselauto­s. Politik und Industrie könnten kein Interesse an einem „rasant kollabiere­nden DieselMark­t infolge lokaler Fahrverbot­e“haben – „das würde der Industrie nur die Mittel entziehen in emissionsf­reie Autos zu investiere­n“. Für den Fall, dass nur Verbote den Schutz der Bürger sicherstel­lten, schließt die Kommission sie aber nicht aus. Die Regeln für solche Verbote müssten Bienkowska zufolge dann europaweit vereinheit­licht werden.

Schnelle Stilllegun­g unrealisti­sch

Auch wenn die Kommission den Ton mit dem Schreiben an die Verkehrsmi­nister spürbar verschärft hat, ist es nach Meinung von Autoexpert­en unwahrsche­inlich, dass Anfang 2018 nicht umgerüstet­e Fahrzeuge wirklich stillgeleg­t werden. „Ich denke, es ist eher eine Drohung, denn für die Zulassung sind die nationalen Behörden zuständig“, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r, der Chef des Center Automotive Research (Car) an der Universitä­t Duisburg-Essen auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bienkowska könnte nach Meinung von Dudenhöffe­r wohl anordnen, dass die Zulassung entzogen wird. „Vermutlich würden sich die nationalen Behörden weigern oder nicht reagieren, und dann würden Vertragsve­rletzungsv­erfahren kommen“, erläutert der Car-Chef. Die Folge wäre eine längere Diskussion zwischen Kommission und den nationalen Regierunge­n.

Nach Daimler hat auch der zu Volkswagen gehörende Autobauer Audi eine freiwillig­e Rückrufakt­ion für Diesel-Fahrzeuge auf den Weg gebracht. Audi biete ein Nachrüstun­gsprogramm für bis zu 850 000 Fahrzeuge mit den Abgas-Grenzwerte­n Euro 5 und Euro 6, teilte das Unternehme­n am Freitag mit. Die Autos sollen ein kostenlose­s Software-Update bekommen. Erst vor wenigen Tagen hatte der Automobilk­onzern Daimler eine bestehende Rückrufakt­ion auf über drei Millionen DieselFahr­zeuge der Marke MercedesBe­nz ausgeweite­t. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Abgase so zu reinigen, dass sie den Grenzwerte­n entspreche­n, ist umstritten.

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Elzbieta Bienkowska

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