Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das Problem sind vor allem die löcherigen Gesetze“

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RAVENSBURG Einen großen Teil der Schuld an der Dieselaffä­re trägt Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Diese Meinung vertritt Ferdinand Dudenhöffe­r (Foto: dpa). Der Chef des Center Automotive Research an der Universitä­t Duisburg-Essen wirft der CDU-Politikeri­n im Gespräch mit Benjamin Wagener vor, seit Jahren die Vorgaben aus Brüssel aufzuweich­en und die Autoindust­rie mit schwammige­n Gesetzen und laschen Kontrollen zu schützen.

Was bedeutet dieses Kartell für die deutsche Autoindust­rie?

Noch ist das Kartell nicht bestätigt, aber wenn es sich bestätigt, wäre es eine Katastroph­e – für Industrie und für Politik.

Warum für die Politik?

Was Angela Merkel als Deutschlan­ds Autokanzle­rin seit zehn Jahren macht, das geht überhaupt nicht. Sie macht in Matthias Wissmann einen Parteifreu­nd zum Cheflobbyi­sten der Autoindust­rie. Sie mildert die Grenzwerte aus Brüssel ständig ab und macht mit ihrer Koalition Gesetze, die unglaublic­h löcherig sind. Seit Jahren forciert sie einen künstliche­n Dieselboom durch Vergünstig­ungen bei Kfzund Mineralöls­teuer. Sie weigert sich, gegen die Autokonzer­ne Strafen auszusprec­hen, die gegen Gesetze verstoßen. Und sie macht bei der Kontrolle der Grenzwerte den Bock zum Gärtner.

Was meinen Sie damit?

Warum muss das Kraftfahrt­bundesamt die Einhaltung der Grenzwerte bei Abgasen prüfen? Diese Behörde ist für solche Dinge gar nicht zuständig, dafür haben wir das Umweltbund­esamt.

Was bedeuten die Enthüllung­en für die Industrie?

Die Situation für die Autokonzer­ne wird immer katastroph­aler, ihre Verantwort­ung immer deutlicher, und die Verunsiche­rung der Kunden immer größer. Es weiß ja keiner mehr, was man der Industrie noch glauben soll, welche Nachrüstun­gen und Software-Updates überhaupt funktionie­ren. Selbst Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt gibt andauernd Dinge frei, von denen keiner weiß, ob sie etwas bringen. Die Konzerne verspielen Vertrauen, das ist unbeschrei­blich.

Das Ausmaß überrascht: Wie viel kriminelle Energie ist für ein solches Kartell nötig?

Gar nicht so viel. Denn die Autokonzer­ne sitzen immer beisammen und tauschen sich aus. Sie stellen ihre Systeme und Lösungen für Probleme vor. Das ist nichts Neues und solche Arbeitskre­ise sind üblich und auch nötig. Und von da ist es nur ein sehr kleiner Schritt bis hin zu illegalen Absprachen. Das ist ein schmaler Grat – und ich glaube, das wird auch schwer nachzuweis­en sein. Das ist eher eine Gemeinscha­ft von Unternehme­n, die das gleiche Problem haben. Für uns ist aber nicht die Gemeinscha­ft das Problem, sondern vor allem die löcherigen Gesetze.

Werden die Vorstandsc­hefs der beschuldig­ten Konzerne im nächsten Jahr noch dieselben sein?

Das ist Spekulatio­n, das kann man nicht sagen. Allerdings wird die Affäre ein großes Thema in der Bundestags­wahl werden. Die Politik wird intensiv darüber diskutiere­n, was zu tun ist.

Was bedeutet das Kartell für das Ansehen der Unternehme­n?

Die deutschen Konzerne werden in aller Welt ihren Heiligensc­hein verlieren – Verbände, Politiker und Kunden werden ihnen sehr misstrauis­ch gegenübert­reten.

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