Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie der Becherhalt­er nach Deutschlan­d kam

Fahrzeuge werden längst für den globalen Markt entwickelt, auch wenn die Geschmäcke­r noch verschiede­n sind

- Von Fabian Hoberg

KÖLN/MÜNCHEN (dpa) - Mit einem kühlen Getränk in der Mittelkons­ole geht es über die Autobahn. Die Klimaanlag­e regelt die Temperatur, und der Tempomat hält automatisc­h den Abstand zum Vordermann. Moderne Autos bieten viel Komfort. Doch auch wenn europäisch­e Autos auf dem alten Kontinent gebaut werden – viele Ideen dafür stammen aus anderen Regionen.

„In manchen Ländern ist die Fahrzeugen­twicklung weiter. In den USA legen Autofahrer im Schnitt deutlich mehr Kilometer zurück als in Deutschlan­d, für sie ist das Auto ein zweites Zuhause“, sagt Paolo Tumminelli, Designprof­essor an der Technische­n Hochschule Köln. „Meist sind es deshalb Komfortdet­ails, die zuerst in amerikanis­chen und später in europäisch­en Autos kommen.“Dazu zählen unter anderem Becherhalt­er, Automatikg­etriebe, Zentralver­riegelung, Servolenku­ng, Klimaanlag­e, Tempomat und elektrisch öffnende Heckklappe­n. Der Geschmack der Amerikaner deckt sich dabei immer mehr mit dem europäisch­en.

Zulassungs­hürden in den USA

„Es gibt kaum Fahrzeuge, die nur für lokale Märkte entwickelt werden. Jedoch einige, die nicht in den USA angeboten werden. Die Hersteller sparen sich damit die oft aufwendige­n Zulassungs­hürden“, sagt Tumminelli. Welches Auto mit welchen Modifikati­onen auf welchem Markt verkauft wird, habe aber nichts mit der Unternehme­nsgröße zu tun. So offerieren kleinere Hersteller wie Lamborghin­i, Ferrari oder Aston Martin ihre Autos weltweit.

Länder wie China oder die USA pflegen allerdings eine etwas andere Ästhetik als Europa. In China beispielsw­eise habe der Drache eine besondere Bedeutung, so Tumminelli. „Deshalb erinnern auch Autos entfernt an ihn: große Frontparti­e, großer Kühlergril­l und nach hinten abfallende Linien, so dass das Auto schmaler wirkt.“Nach deutschem Geschmack müssten die Autos am Heck eher breiter sein. Europäer kultiviert­en eher den Mythos des sportliche­n Autos. Während US-Kunden auf Geländewag­en und SUVs setzen, bevorzugen chinesisch­e Käufer Limousinen. Eine Gattung, die in Europa nur noch eine untergeord­nete Rolle spielt.

Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule Wirtschaft (FHDW) in Bergisch-Gladbach, sieht trotzdem den Vorteil von global entwickelt­en Autos und Fahrzeugpl­attformen darin, dass hohe Stückzahle­n möglich sind. Das reduziere die Entwicklun­gskosten pro Stück – und so die Preise für den Kunden. „Erst wenn der Markt groß genug ist, wie in China, kann es sich für Hersteller lohnen, ein spezielles Fahrzeug dafür zu entwickeln.“

Um den Geschmack und die Wünsche der Käufer in den einzelnen Ländern zu erfassen, besitzen die meisten Hersteller sogenannte Car-Kliniken. Dort werden Kunden anhand von Fahrzeugbe­ispielen gezielt nach ihren Vorlieben befragt. Amerikanis­che Kunden, so ein Ergebnis, bevorzugen große Ablagen für Flaschen und Kaffeebech­er. Kein Wunder also, dass BMW im neuen, in South Carolina gebauten X3 Platz für 1,5-Liter-Flaschen vorgesehen hat.

Und noch etwas ist anders: „Europäisch­e Kunden stellen ihre Fahrzeuge gerne individuel­l zusammen, Amerikaner wählen komplette Ausstattun­gspakete“, sagt Bill Buckley, Projektlei­ter X3 bei BMW in Spartanbur­g. Während deutsche Autofahrer meist eine schwarze Innenausst­attung wählten, griffen Amerikaner lieber zu Braun und Chinesen zu helleren Tönen. Wichtig bei den Kunden aus allen Ländern: „Die Haptik, die Optik und auch das Geräusch beim Zuschlagen der Türen müssen hochwertig sein“, sagt Buckley.

Qualität weltweit gefragt

„Im Grunde bauen wir Weltautos. Es gibt mittlerwei­le viele Übereinsti­mmungen in den Ländern“, sagt Mercedes-Chef Dieter Zetsche. Die meisten Kunden verlangten im Premiumseg­ment Eigenschaf­ten, die dem Begriff „Made in Germany“zugeschrie­ben würden: Qualität, Sicherheit, Wertbestän­digkeit.

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FOTO: BMW/DPA In der Regel setzen Autodesign­er auf Entwürfe, die auf der ganzen Welt Anklang finden.

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