Lob für Gabriels Brief
Türkische Gemeinde erfreut über Aktion des Ministers
FRANKFURT (epd/her) - Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und der Türkei hat Außenminister Sigmar Gabriel am Wochenende die Bedeutung der türkischstämmigen Menschen für Deutschland hervorgehoben. Der SPD-Politiker warb im Namen der Regierung in einem offenen Brief in zwei Sprachen in der „Bild“-Zeitung und auf der Internetseite des Auswärtigen Amts um die Menschen mit türkischen Wurzeln. Die Freundschaft zwischen Deutschen und Türken sei „ein großer Schatz“, hatte Gabriel an die „lieben türkischen Mitbürger“geschrieben.
Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, lobte Gabriel. „Der offene Brief ist bei dem größten Teil der Bevölkerung sehr gut angekommen. Das ist ein wichtiges positives Signal und ein vernünftiges Angebot zum Dialog“, sagte er am Sonntag zur „Schwäbischen Zeitung“.
BERLIN (dpa) - Im Streit zwischen Berlin und Ankara hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ungewöhnlich hart kritisiert. Zugleich stellte er sich hinter den schärferen Türkei-Kurs der Bundesregierung. Die letzten Reste an Kritik und Opposition in der Türkei „werden jetzt verfolgt, werden ins Gefängnis gesteckt, werden mundtot gemacht“, sagte Steinmeier im ZDFSommerinterview. „Das können wir nicht hinnehmen.“CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz machten sich für finanziellen Druck auf Ankara stark. Erdogan verbat sich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, das „ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat“sei.
Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher hatte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für die Türkei verschärft. Zudem stellt Deutschland die Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch HermesBürgschaften auf den Prüfstand. Überdacht werden sollen auch Investitionskredite, Wirtschaftshilfen und EU-Vorbeitrittshilfen.
Schäuble: „Nicht erpressen lassen“
Steinmeier nannte es richtig, dass die Bundesregierung jetzt klare Worte finde. „Das ist auch eine Frage der Selbstachtung unseres Landes, finde ich, hier deutliche Haltesignale zu senden.“CSU-Chef Seehofer verlangte bei einer Parteiveranstaltung, die EU solle bis 2020 vorgesehene Zahlungen von gut vier Milliarden Euro an die Türkei als EU-Beitrittskandidat stoppen. SPD-Chef Schulz forderte im Deutschlandfunk ebenfalls ein Einfrieren dieser Mittel: „Das sind konkrete Maßnahmen, die man sofort ergreifen kann.“
Ob der Türkei diese Hilfen gestrichen werden können, ist laut „Süddeutscher Zeitung“fraglich. Im Programm IPA II gebe es eine frühere Klausel nicht mehr, dass die Wahrung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze eine Voraussetzung für die Hilfen sei. Nach einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sei „eine Suspendierung der Hilfe nicht möglich, solange das Beitrittsverfahren der Türkei andauert“. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, forderte in der Zeitung „Neues Deutschland“eine Aussetzung der Nato-Mitgliedschaft des Landes. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, verlangte, deutsche Waffenexporte in die Türkei zu beenden und die Bundeswehr aus dem NatoStützpunkt Konya abzuziehen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble warf Erdogan in der „Bild“-Zeitung vor, „die jahrhundertelange Partnerschaft zwischen der Türkei und Deutschland aufs Spiel“zu setzen. „Es ist schon dramatisch, eigentlich verbindet uns so viel. Aber wir können uns nicht erpressen lassen.“ Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) nannte das Verhalten Ankaras in der „Bild am Sonntag“„inakzeptabel“und die Maßnahmen der Bundesregierung „absolut notwendig“. Er gab aber zu bedenken, dass es beim Nato-Mitglied Türkei auch um geostrategische Fragen gehe: „In der Region ist die Türkei eines der demokratischsten Länder. Und damit meine ich gar nicht Herrn Erdogan, sondern das Land und die türkische Gesellschaft insgesamt.“
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor einem Alleingang. Der schärfere Kurs sei richtig. „Es sollte aber europäische Lösungen geben“, sagte Fratzscher.