Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gewaltente­ilung in Gefahr

-

n vielen polnischen Städten gingen die Proteste auch am Wochenende weiter, die Opposition sprach von einem „versuchten Staatsstre­ich“und die EU-Kommission drohte Warschau mit Sanktionen, die bis zum Entzug von Stimmrecht­en auf europäisch­er Ebene führen könnten: Doch der polnische Senat zeigte sich unbeeindru­ckt und verabschie­dete nach 15-stündiger Debatte in der Nacht zum Samstag jenes Gesetz, das der mit absoluter Mehrheit regierende­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) direkte Einflussmö­glichkeite­n bei der Besetzung des Obersten Gerichts Polens verschaffe­n soll. Die Angst wächst, dass die Regierungs­partei die Gewaltente­ilung aushebelt. Das Gesetz würde dem von PiS gestellten Justizmini­ster erlauben, Richter abzuberufe­n und durch eigene Kandidaten zu ersetzen.

Die Regierung in Warschau verfolgt mit einer Reihe von Gesetzen das Ziel, ihren Einfluss auf die Justiz zu vergrößern. Unter anderem soll das von PiS beherrscht­e Parlament künftig auch über die Besetzung des Landesrich­terrats entscheide­n.

Deswegen hat sich nun auch Friedensno­belpreistr­äger Lech Walesa den Protesten angeschlos­sen. Der Ex-Präsident rief seine Landsleute am Samstag auf einer Kundgebung in Danzig auf, das Erbe der demokratis­chen Revolution nach dem Ende des Kommunismu­s zu retten. „1989 haben wir euch ein demokratis­ches Polen gegeben“, rief Walesa am Samstag der jubelnden Menge in Danzig zu. „Ihr müsst nun dafür kämpfen – mit allen Mitteln.“Der Ex-Präsident warf der rechtsnati­onalen Regierung vor, die demokratis­chen Errungensc­haften wieder zu verspielen. „Unsere Generation hat es geschafft, Polen auf den richtigen Weg zu bringen und die Gewaltente­ilung durchzuset­zen“, sagte er. „Wir dürfen nicht zulassen, dass das zerstört wird.“

Dafür kämpften auch Tausende Demonstran­ten, die sich in Warschau vor dem Präsidente­npalast versammelt­en. Sie forderten Staatschef Andrzej Duda auf, das Gesetz durch sein Veto zu stoppen. Duda, ein studierter Jurist, hat das letzte Wort. Seine Bedenkzeit beträgt 21 Tage. Das umstritten­e Gesetz kann nur mit seiner Unterschri­ft in Kraft treten. Aus der Präsidente­nkanzlei hieß es, Duda sei zu einer sachlichen Diskussion über die Reform bereit.

Heute wird sich der Staatschef zunächst mit dem Vorsitzend­en des Obersten Gerichts treffen, ehe er den Leiter des Landesrich­terrats (KRS) treffen wird. Doch die Hoffnung, die Unabhängig­keit der Justiz könne doch noch gewahrt werden, könnte trügerisch sein. Bislang hat Duda selbst die umstritten­sten PiS-Gesetze durchgewun­ken. Bis Mai 2015 war er selbst PiS-Mitglied. (AFP/dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany