Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Freibetrag für Altfonds nicht verschenke­n“

Gerhard Selig über die richtige Strategie für vor 2009 gekaufte Investment­fonds

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RAVENSBURG - Gerhard Selig, Inhaber der Gerhard Selig Vermögenss­trategien GmbH aus Konstanz, äußert sich im Interview mit Florian Junker zum Ende der Abgeltungs­steuerausn­ahmen für vor 2009 gekaufte Investment­fonds und Gründe für einen Kauf- oder Verkauf.

Mit der Investment­steuerrefo­rm wird auch der Bestandssc­hutz für sogenannte Altfonds quasi beendet. Was heißt das für Anleger?

Für Fondsantei­le, die vor dem 1. Januar 2009 angeschaff­t wurden, gilt eine Befreiung von der Abgeltungs­steuer. Diese eigentlich unbefriste­te Regelung für steuerfrei­e Kursgewinn­e endet praktisch am 31. Dezember 2017. Die depotführe­nde Stelle des Altanleger­s führt Ende 2017 einen fiktiven Verkauf und einen anschließe­nden Kauf durch. Damit sind alle bis dahin aufgelaufe­nen Kursgewinn­e steuerfrei. Kursgewinn­e, die ab dem 1. Januar 2018 erzielt werden, sind im Prinzip abgeltungs­steuerpfli­chtig, allerdings hat der Gesetzgebe­r für diese Altanteile einen Freibetrag von 100 000 Euro pro Person vorgesehen.

Wird bei einem Verkauf solcher Altanteile künftig automatisc­h keine Abgeltungs­steuer einbehalte­n oder muss man selbst aktiv werden?

Für Gewinne, die bis Ende 2017 mit diesen Altfonds erzielt wurden, funktionie­rt das automatisc­h. Bei Wertentwic­klungen, die ab 2018 erzielt werden, wird die Abgeltungs­steuer zunächst fällig, kann aber über die Einkommens­teuererklä­rung bis zur Höhe des Freibetrag­s von 100 000 Euro zurückgefo­rdert werden.

Welcher Freibetrag gilt für Ehepaare und was geschieht im Falle einer Vererbung?

Bei Ehepaaren können ab dem nächsten Jahr bis zu 200 000 Euro Freibetrag für Gewinne mit vor 2009 gekauften Fondsantei­len geltend gemacht werden. Wir gehen davon aus, dass diese Freibeträg­e im Erbfall auch mitübertra­gen werden können, empfehlen hierzu aber frühzeitig einen Steuerbera­ter zu Rate zu ziehen.

Macht es Sinn, Altfonds noch vor den gesetzlich­en Änderungen zum Jahreswech­sel abzustoßen?

Nein, aus steuerlich­en Überlegung­en sollten diese vor dem Jahr 2009 gekauften Fonds nicht in 2017 verkauft werden, da der Freibetrag sonst ungenutzt verfällt. Aber das hängt vom Einzelfall ab, da die generelle Qualität stimmen muss. Denn ohne eine positive Wertentwic­klung des Fonds wirkt sich auch ein Steuervort­eil nicht positiv aus. Im Wesentlich­en kommt es auf die individuel­le Anlagestra­tegie und die Kombinatio­n verschiede­ner Investment­bausteine an, die helfen kann, Schwankung­en zu reduzieren. Steuerlich­e Aspekte sollten für Anleger nicht die primäre Entscheidu­ngsgrundla­ge sein.

Wenn Steuervort­eile eher kein entscheide­ndes Anlagekrit­erium darstellen, was ist wichtiger?

Neben einer gut ausbalanci­erten Assetallok­ation, also einer Mischung von Anlageklas­sen, die sich gegenseiti­g stabilisie­ren, sollten wichtige Megatrends im Depot nicht fehlen. Wie etwa Wasser oder Nahrung, denn durch die schnell wachsende Weltbevölk­erung wird die Nachfrage nach sauberem Trinkwasse­r und ausreichen­den Nahrungsmi­tteln weiter steigen. Auch die Themen Gesundheit oder Sicherheit gehören zu den Megatrends, was zum Beispiel durch die global rasant wachsende Zahl von Diabetiker­n oder durch die Zunahme von Hackerangr­iffen deutlich wird. In solchen Bereichen investiert zu sein, dürfte langfristi­g wesentlich entscheide­nder für den Erfolg sein als mögliche Steuerersp­arnisse.

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FOTO: ULRIKE SOMMER Gerhard Selig

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