Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ziel definiert, Ziel verpasst

Die deutsche Volleyball-Nationalma­nnschaft qualifizie­rt sich nicht für die WM 2018

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KORTRIJK (SID/dpa) - Von WMBronze zum Aus in der Qualifikat­ion in nur drei Jahren: Die deutschen Volleyball­er stehen nach dem Verpassen der Weltmeiste­rschaft im kommenden Jahr vor einem Scherbenha­ufen. Der Medaillenc­oup 2014 in Polen ließ die Mannschaft von einer goldenen Zukunft träumen, durch das Scheitern beim Sechsertur­nier jetzt im belgischen Kortrijk sind die Aussichten jedoch düster. „Es ist natürlich enttäusche­nd, dass wir uns nicht für die WM qualifizie­rt haben, weil es für ein Land wie Deutschlan­d wichtig ist, bei solchen Turnieren dabei zu sein“, sagte Bundestrai­ner Andrea Giani und übte sich – gezwungene­rmaßen – in Zweckoptim­ismus: „Ich möchte jetzt nach vorne schauen und eine neue Ära starten.“

Der Start einer Ära hätte eigentlich der Gewinn der Bronzemeda­ille vor drei Jahren im polnischen Kattowitz sein sollen. Es war das erste deutsche Volleyball-Edelmetall seit 1970, die hungrige Mannschaft um den ehemaligen Bundestrai­ner Vital Heynen schien zu allem in der Lage zu sein. Doch schon bei den Olympische­n Spielen 2016 in Rio de Janeiro fehlte sie, der vom Erfolg besessene Heynen kehrte dem Deutschen Volleyball­Verband (DVV) anschließe­nd den Rücken. Der 48-Jährige wechselte in sein Heimatland Belgien zurück (trainiert in Personalun­ion seit 2016/17 den VfB Friedrichs­hafen) – und hat am Samstag das Ende aller deutschen WM-Hoffnungen besiegelt. Klar und deutlich siegte Belgien 3:0 (25:16, 25:16, 25:17) gegen die überforder­te deutsche Auswahl. „Natürlich hat man an so einem Tag gemischte Gefühle“, sagte Heynen. „Aber Belgien ist jetzt meine Mannschaft.“

Durch die Niederlage bestand für Deutschlan­d bereits vor dem abschließe­nden 3:0 (29:27, 25:20, 25:22). am Sonntag gegen Weißrussla­nd keine Chance mehr, das Turnier als Sieger abzuschlie­ßen. Nur der Erste fährt zur WM. Erstmals seit 2002 nimmt nun kein deutsches HerrenTeam an den Welttitelk­ämpfen teil, die im kommenden Jahr (10. bis 30. September 2018) in Italien und Bulgarien stattfinde­n.

„Der deutsche Volleyball ist so stark wie noch nie“, hatte DVV-Präsident Thomas Krohne vor drei Jahren gesagt. Warum es nun nicht für die WM reichte? Die Mannschaft um den italienisc­hen Coach Giani, der seit Februar im Amt ist, befindet sich nach der Absage diverser Stammspiel­er im Umbruch. Punktegara­nten wie Georg Grozer und Jochen Schöps standen dem 47-Jährigen nicht zur Verfügung. Trotzdem muss sich Giani an seinen Worten messen lassen. Zum Amtsantrit­t hatte er klare Ziele formuliert: „Wir wollen zur WM, den Titel in der World-League-Gruppe drei und in das EM-Halbfinale.“

Noch greift Gianis System nicht

Giani hatte der Mannschaft zudem einen Systemwand­el verordnet – und damit tut sich das Team um Kapitän Lukas Kampa extrem schwer. Ließ Heynen einen eher auf Sicherheit bedachten Volleyball spielen, fordert sein Nachfolger viel mehr Risiko und Aggressivi­tät in der Offensive. Und das geht mit Ausnahmen regelmäßig schief. Lukas Kampa: „Spiele kann man nicht gewinnen, wenn man nur Fehler nach Fehler nach Fehler macht.“

Konsequenz: In der Weltliga reichte es nur zu Platz drei, das Fehlen bei der WM ist bereits das zweite Scheitern. Bei der Europameis­terschaft in Polen (24. August bis 3. September) können Giani und Co. den verkorkste­n Sommer zwar noch halbwegs retten, doch schon jetzt gibt es für die Volleyball­er weitreiche­nde Konsequenz­en: In der Weltrangli­ste gehen ohne WM-Start viele Punkte verloren, durch die Teilnahme in der am niedrigste­n eingestuft­en WeltligaGr­uppe sind solche Verluste nicht auszugleic­hen. Selbst ein Triumph bei der EM könnte am Ende nicht genug sein, um ein Abrutschen zu verhindern.

Eine schlechter­e Platzierun­g ist zugleich mit schwereren Gegnern für die Olympiaqua­lifikation verbunden, die Chancen für eine Teilnahme an den Spielen in Tokio 2020 dürften sich verringern. Oder? Nochmals Zusteller Kampa: „Der neue Stil ist etwas risikobeha­fteter, da müssen wir uns erst mal austariere­n. Ich sehe aber absolut das Potenzial, dass wir uns dahin entwickeln können.“

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FOTO: DPA Derzeit fehlt es den deutschen Volleyball­ern nicht nur an Kleinigkei­ten. Die missglückt­e WM-Qualifikat­ion hat gezeigt: Der Weg ist weit für Bundestrai­ner Andrea Giani.

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