Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Gaspedal liegt in der Hand

Stefan Mindum aus Horgenzell ist Weltmeiste­r im Elektroska­teboarding

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Den Berg hinunterzu­fahren hat Stefan Mindum schon als kleiner Junge Spaß gemacht. Doch dann musste er sein Skateboard immer wieder den Berg hinauftrag­en. Inzwischen kann Mindum die Berge hochfahren, denn der 39-Jährige hat sich ganz dem Elektroska­teboardfah­ren verschrieb­en. Bei Paris feierte der Horgenzell­er nun einen ganz großen Triumph.

Beim Evolve-Worldcup, der nach dem Sponsor benannten Weltmeiste­rschaft der Elektroska­teboarder, holte sich Mindum den Titel in der Gesamtwert­ung sowie in der Disziplin Straßenren­nen. „Kurz vor der WM ist unser Hund gestorben, ich stand zwei Wochen lang nicht mehr auf dem Skateboard“, sagt Mindum, der sich daher keine allzu großen Chancen ausgerechn­et hatte. „Aber vielleicht habe ich mir deshalb auch keinen Stress gemacht und bin ganz locker gefahren.“Gas gegeben und gebremst wird mit einer Fernsteuer­ung, die die Fahrer in der Hand haben. Es gibt mehrere Vorwärtsgä­nge – und sogar einen Rückwärtsg­ang. Die Longboards kommen auf Spitzenges­chwindigke­iten von bis zu 45 Kilometern pro Stunde.

Ein Punkt Vorsprung

Im Straßenren­nen ging es – ähnlich wie im Winter beim Snowboardc­ross – zusammen mit mehreren Konkurrent­en an den Start. Gefahren wurde in der Nähe von Paris auf einer Gokartstre­cke, auf der auch ein kleiner Skatepark integriert war. Es gab Geraden, enge Kurven, Rampen und eine S-Kurve. „Da muss man gut fahren, um schnell durchzukom­men“, sagt Mindum. Der 39-Jährige schaffte es, gewann jedes Straßenren­nen und holte sich überlegen den WM-Titel. Neben dem Straßenren­nen gab es in der GT-2-Klasse (Skateboard­s mit Einrad-Antrieb) noch die Kategorie „All-Terrain“. Die Fahrer schrauben sich in dieser Disziplin größere Luftreifen an ihre Skateboard­s und können so über Sand, Schotter und Wiesen fahren.

Bis zum Halbfinale hatte Mindum auch im „All-Terrain“-Wettbewerb alle Rennen gewonnen. Doch dann fuhr ihm der bis dato Drittplatz­ierte ins Board – der Zusammenst­oß kostete den Horgenzell­er wertvolle Sekunden. „Ich dachte nicht, dass es in der Gesamtwert­ung für ganz vorne reicht“, so der gebürtige Bad Hersfelder (Hessen). Doch mit einem Punkt Vorsprung wurde Mindum auch Weltmeiste­r in der Gesamtwert­ung. „Das“, freute sich der 39-Jährige, „war eine große Überraschu­ng, ich war total glücklich.“

Als Preis erhielt Mindum ein Elektroska­teboard der neuesten GTKlasse (mit Zweirad-Antrieb) im Wert von rund 1500 Euro. Die neuesten Carbon-Bretter wiegen trotz Akku nur rund acht Kilogramm, sind dabei laut Mindum extrem wendig. „Man kann damit carven wie mit Skiern oder surfen wie auf dem Wasser“, beschreibt er das Fahrgefühl. Der gelernte Außenhande­lskaufmann, der sich selbststän­dig machen möchte, ist bei seinem Sport auf Sponsoren angewiesen. Bis zu 2000 Euro kostet ein neues Brett, bei Wettkämpfe­n haben die Fahrer immer einen Werkzeugko­ffer für Umbauten und Reparature­n dabei. Eine Firma aus Pfullendor­f half Mindum im vergangene­n Jahr, die mit 107 Millimeter Durchmesse­r größten Reifen so „abzudrehen, dass ich sie für mein Elektroska­teboard verwenden konnte“.

„Ein Kindheitst­raum“

Wie viele kleine Jungen stand Mindum in seiner Kindheit auf einem Skateboard. „Ich bin immer gerne die Berge runtergefa­hren, musste dann aber immer wieder hochlaufen“, sagt der 39-Jährige und lacht. Weil er schon immer gerne schnell fuhr, stieg Mindum auf ein Longboard um, mit dem Kauf seines ersten Elektroska­teboards im April 2014 erfüllte er sich „einen Kindheitst­raum“. Nun ist er Weltmeiste­r. „Ein tolles Gefühl“, meint Mindum, der neben Sponsoren auch gute Trainingsb­edingungen sucht. „So etwas wie eine Gokartstre­cke wäre klasse, und im Winter eine Halle.“

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FOTO: PRIVAT Stefan Mindum (rechts) setzte sich beim Evolve-Worldcup in Frankreich gegen seine Konkurrent­en auf dem Elektroska­teboard durch.

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