Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Vergnügung­spark“für Bienen

Im Ostertal werden junge Königinnen gezielt mit Drohnen gepaart, die besonders gutes Erbgut haben

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU/BLAICHACH - Bienen-Vergnügung­spark könnte man es scherzhaft nennen. 1500 bis 1600 Königinnen machen dort jedes Jahr Station, um sich nacheinand­er mit etwa zehn bis 20 Jungs zu paaren. Dann hat die Königin genug fürs Leben – und sichert sich die genetische Vielfalt im eigenen Staat.

Natürlich geht es nicht um Spaß in der „Belegstati­on“, die der ImkerKreis­verband Oberallgäu seit 1980 im Ostertal (Gunzesried) im Staatswald betreibt. Ziel ist die Zucht, damit Bienenvölk­er möglichst gesund und widerstand­sfähig sind, aber auch fleißig und sanftmütig. Sanftmut bei stechenden Insekten? Ja, sagt Johann Fischer, staatliche­r Fachberate­r für Bienenzuch­t in Schwaben. Und lässt den Beweis folgen: Er zieht eine dicht bevölkerte Wabe aus einem Stock, schiebt Insekten einfach sachte mit dem Finger zur Seite. Die flinken Bienen und die pummeligen Drohnen nehmen es unaufgereg­t hin. Tiefenents­pannt, möchte man fast meinen.

Der große Bienenstoc­k ist eines von mehreren „Vatervölke­rn“, das die zehnköpfig­e Zuchtgrupp­e der Imker ausgewählt hat. Die Drohnen aus diesen Völkern sollen ihr Erbgut an all die Königinnen weitergebe­n, die die vielen Oberallgäu­er Imker über die Saison für zwei, drei Wochen im Ostertal vorbeibrin­gen.

Organisier­en wie bei der Besamung einer Kuh lässt sich das bei Insekten natürlich nicht. Die Imker schaffen nur die Voraussetz­ungen, um dann der Natur ihren Lauf zu lassen. Unterstütz­t werden sie dabei von den Bayerische­n Staatsfors­ten, die ihnen Grund im Wald überlassen und bei Bedarf auch mal ausholzen. Bei 18 000 Hektar Wald, die der Forstbetri­eb Sonthofen bewirtscha­ftet, fallen der knappe Hektar für die Belegstati­on Ostertal und die Fläche für eine weitere Belegstati­on andernorts nicht groß ins Gewicht.

Die jungen Königinnen – sie können sich nur in ihren ersten Lebenswoch­en paaren – kommen jeweils mit einer kleinen Wabe in ein Kästchen. Ähnlich wie Vogelhäuse­r stehen an der Belegstati­on Ostertal zahlreiche Holzkisten in etwa einem Meter Höhe. Insgesamt über 200, sagt Betreuer Manfred Roth. Sie sind wie Doppelhaus­hälften geteilt, bieten also zwei Königinnen Platz. Neben den Doppelhäus­chen gibt es auch Mehrwabenk­ästen.

Von dort fliegen die Königinnen aus, um sich mit Drohnen der Vatervölke­r zu treffen, die an Sammelplät­zen sozusagen eine Junggesell­enparty feiern. 10 000 bis 20 000 Drohnen dürften da warten, schätzt Fischer. Die Paarung selbst findet im Flug statt – dabei kommen nur die besten Drohnen zum Zug. Ein natürliche­r Wettbewerb also.

Wer nicht geht, wird erstochen

Die Königin führt die Hochzeitsf­lüge durch, bis ihre Samenblase gefüllt ist. Der Vorrat reicht dann ihr ganzes – vier bis fünf Jahre langes – Leben, um Eier zu befruchten. Drohnen bezahlen die Begattung übrigens sofort mit ihrem Leben.

Alle anderen Drohnen im Bienenstoc­k haben es nicht viel besser: Die Arbeitsbie­nen schmeißen die Jungs im Sommer einfach aus dem Stock und lassen sie dann verhungern. Wer nicht freiwillig geht, wird von den Arbeitsbie­nen „erstochen“. Denn die Arbeitsbie­nen haben im Gegensatz zu den Männchen einen Stachel. Die etwa zehn bis 20 Minuten langen Paarungsfl­üge erfolgen meist zwischen 13.30 und 16 Uhr – und nur, wenn es mindestens 20 Grad warm ist.

Licht und Wärme sind für Bienen wichtig. Darum kam der Forstbetri­eb Sonthofen gern dem Wunsch der Imker nach, das Areal der Belegstati­on auszuholze­n. Beeindruck­t von der Zuchtarbei­t zeigten sich Jann Oetting, Chef des Forstbetri­ebs Sonthofen, und Revierförs­ter Hubert Heinl. Sie hatten das Areal nach Auslichtun­g und Erweiterun­g besichtigt.

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FOTO: ULRICH WEIGEL Die Königin trägt die Nummer 14. Imker kennzeichn­en sie, um sie im Stock schneller zu finden.

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