Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Zwischen Zonen“regt zum politische­n Denken an

Museum Marta in Herford zeigt mehrere Künstlerin­nen aus dem arabisch-persischen Raum

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HERFORD (dpa) - Mal wird der Besucher zum politische­n Denken angeregt, mal sind die Werke einfach sinnlich schön: Das Museum Marta in Herford zeigt die Ausstellun­g „Zwischen Zonen“. Bis Ende September sind Werke von neun Künstlerin­nen aus dem arabisch-persischen Raum zu sehen – darunter Fotografie­n, Videos und Installati­onen. „Den Namen 'Zwischen Zonen’ haben wir gewählt, weil alle Künstlerin­nen zwischen der arabischen oder persischen und der westlichen Welt unterwegs sind“, so Kurator Michael Kröger. Das Ergebnis: oft politische, häufig überrasche­nde und immer ziemlich komplexe Werke. In den Geburtslän­dern der Frauen kommt ihre Kunst nicht immer gut an.

Das musste zum Beispiel Moufida Fedhila erfahren. Die gebürtige Tunesierin lebt seit Jahren in Paris. Kurz nach Beginn des Arabischen Frühlings 2012 machte sie eine Performanc­e im öffentlich­en Raum in Tunesien. Die Tunesier diskutiert­en gerade, ob und wie die Verfassung geändert werden soll. Im Kostüm des Comic-Helden „Superman“sind sie und andere junge Tunesier in der Performanc­e „Super-Tunisian“zu sehen. Sie hinterfrag­en die tunesische Politik, animieren zum Protest. Ein Video davon gibt es zu sehen.

„Wir hatten während der Performanc­e mehrmals Besuch vermutlich von der Zivilpoliz­ei“, erzählte Fedhila. Später bekam sie Morddrohun­gen. „Es war gruselig“, berichtete sie. Aufhören wollte sie nicht: „Das war meine Zeit, um etwas für die Demokratie in Tunesien zu tun“, sagte sie. Ihr Vorbild bei der Arbeit hatte sie ständig vor Augen: die Komikertru­ppe Monty Phyton.

Fotos aus der Wüste

Weniger humorvoll, eher sinnlich ansprechen­d sind die Fotografie­n von Sama Alshaibi. Sieben Jahre lang hat sie sich immer wieder in der Wüste aufgenomme­n. Alshaibi ist mit sieben Jahren aus dem Irak geflohen, mit 13 kommt sie in Amerika an. Dazwischen zieht die Familie von Land zu Land. „Die Wüste interessie­rt mich, weil sie keine Grenzen akzeptiert und ihre Form verändern kann“, sagte sie.

Es ist eine sehr vielfältig­e Ausstellun­g, welche die Kuratoren zusammenge­tragen haben. „Nach der Flüchtling­skrise hatten wir den Anspruch, Kunst aus dem arabischen Raum vorzustell­en“, sagte Kurator Kröger. Dass das Museum nur Künstlerin­nen zeigt, lag an der Fragestell­ung: „Uns hat interessie­rt: Wie operieren Frauen in der arabischen Kunst?“

Erkenntnis und Missverstä­ndnis

Das Machen der Ausstellun­g wurde dann für die Kuratoren zu einer Entdeckung­sreise – mit vielen neuen Erkenntnis­sen, aber auch mit Missverstä­ndnissen. Kröger gibt ein Beispiel: Die Künstlerin Arwa Abouon zeigt eine Fotografie, auf der ein älteres Paar zu sehen ist - ihre Eltern. Der Mann kniet vor seiner Frau, sie küsst ihn auf den Kopf. Als Kröger die Arbeit im Netz fand, hielt er sie für ein starkes, feministis­ches Statement.

Als Abouon vor Ort war, stellte sich heraus: Sie wollte mit dem Foto der harmonisch­en Ehe ihrer Eltern ein Denkmal setzen. Feministis­ches Statement? Von der Künstlerin jedenfalls nicht beabsichti­gt. „Überhaupt haben wir in der Ausstellun­g wenig explizit feministis­che Positionen“, erklärte er.

Man kann an der Ausstellun­g bestimmt Kritik üben: Wie groß ist der Erkenntnis­gewinn, wenn man Künstlerin­nen aus so unterschie­dlichen Ländern – sie kommen etwa aus Iran, Jordanien und dem Libanon – und mit so verschiede­nen Positionen zeigt? Man habe nicht den Anspruch, Aufklärung­sarbeit zu leisten, sagte Kröger dazu. „Wir hoffen, dass wir neugierig machen.“Das gelingt den Machern der Ausstellun­g auf jeden Fall.

Internet:

www.marta-herford.de

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FOTO: DPA „Trauriges Mädchen" in der Mainzer Neustadt – es ist zusammen mit den „Tags" (Signaturen) von anderen Graffitisp­rayern zu sehen
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FOTO: DPA Ausstellun­gskurator Michael Kröger hängt eine Arbeit mit dem Titel „I'm Sorry I Forgive You“auf.

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