Schwäbische Zeitung (Wangen)

Urlaubsmod­e

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Urlaubszei­t heißt für mich ja auch immer das Schämen für andere deutsche Touristen, die man trifft. Da gibt es auf der einen Seite das Klischee, dass wir alle kennen: Sandalen und Socken, Cargo-Shorts mit farblich nicht passendem Bauchtäsch­en – und zum krönenden Abschluss ein Fischerhut, der zu keiner Gelegenhei­t abgesetzt wird aber trotzdem eine knallrot-verbrannte Birne bedeckt. Nur auf der Nase prangt ein Klecks weiße Creme. Ob es sich dabei um Sonnenmilc­h handelt oder Butterrest­e vom überfüllte­n aber restlos verputzten Frühstücks­buffet ist meist schwer zu sagen.

Das andere Extrem ist der genauso häufig auftretend­e alternativ­e deutsche Backpacker. Der trägt eigentlich nie Socken, manchmal nicht mal Schuhe und die selten gewaschene­n T-Shirts hat der verrückte Onkel 1968 noch persönlich gebatikt. Abgesehen von seinem Aussehen, will er meist so sehr in die Kultur des Landes eintauchen, dass er gar nicht merkt, wie sehr er den Einheimisc­hen auf den Geist geht, weil er das Begaffen deren alltäglich­en Lebens gleich als eine der schönsten Erfahrunge­n überhaupt einordnet.

Wie ich kürzlich bei meinem Urlaub in Albanien erfuhr, hatte das ehemalige kommunisti­sche Regime dort, trotz seiner katastroph­alen Schwächen, eine Lösung für mein Problem gefunden. Wer damals als Tourist äußerlich nicht dem Leitbild entsprach, wurde am Flughafen in Tirana prompt zum Friseur gebeten und musste sich danach neu einkleiden. Oder wieder nach Hause fliegen. (jasc)

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