Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn Sportsgeis­t nicht glücklich macht

Mercedes definiert Teamplay anders als Ferrari – das vergrößert Hamiltons Rückstand

-

BUDAPEST (SID/dpa) - Der Fluch der guten Tat bereitete Mercedes dann doch hartnäckig­e Bauchschme­rzen. Ferrari-Chauffeur Sebastian Vettel war der strahlende Gewinner von Ungarn, Silberpfei­l-Pilot Lewis Hamilton höchstens Sieger der Herzen – denn im Sinne des Fair Play und zugunsten seines Teamkolleg­en hatte er auf drei wichtige WM-Punkte verzichtet. „So richtig glücklich bin ich nicht“, sagte Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff hinterher. „Das war vielleicht die schwierigs­te Entscheidu­ng, die wir in den vergangene­n fünf Jahren treffen mussten.“

Mercedes hatte sich entschiede­n, Wort zu halten. Und seine beiden Piloten weiterhin gleich zu behandeln. Mit Blick auf den Formel-1-Titelkampf könnte das folgenschw­er sein, denn eines wird immer deutlicher: Silber und Rot definieren den Begriff „Team“in diesem Jahr völlig unterschie­dlich. Nach erfolglose­n Angriffen auf das Ferrari-Duo Vettel und Kimi Räikkönen hatte Hamilton seinem Teamkolleg­en Valtteri Bottas auf der Zielgerade­n des Hungarorin­gs den dritten Platz zurückgege­ben – weil Bottas ihn zuvor ebenfalls hatte ziehen lassen. „Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht, ein Teamplayer“, sagte Hamilton, der sich durchaus in dieser Rolle gefiel: „Ich hoffe, dass gute Taten belohnt werden. Wenn ich die WM jetzt aus diesem Grund verliere, weiß ich nicht, was ich dazu sage.“Es sei „eher eine Entscheidu­ng des Herzens als des Verstandes“gewesen. „Keine Ahnung, ob ich damit auf den Hintern falle.“

So geht Hamilton mit einem Rückstand von 14 Punkten auf Vettel in die Sommerpaus­e. Viel interessan­ter und vielleicht viel entscheide­nder als dieser Abstand ist aber, dass Ferrari beim Doppelsieg von Ungarn mal wieder alles auf die Karte Vettel setzte. Und damit alles anders machte als Mercedes. Vom „Dreamteam Ferrari“schrieb der „Corriere dello Sport“euphorisch und feierte die nicht unumstritt­ene Entscheidu­ng der Roten: „Bei Ferrari hat man begriffen, dass man den Pilotentit­el nur dann gewinnt, wenn alle in dieselbe Richtung rudern.“Die englische „Sun“wertete das naturgemäß anders: „Was ein Thriller hätte sein können, wurde zu einem Schachspie­l. Hamilton ist nun besorgt, dass ihn sein Sportsgeis­t den vierten WM-Titel kosten könnte.“

Vettel hatte erhebliche Probleme mit seiner Lenkung und war deshalb an der Spitze streckenwe­ise viel langsamer unterwegs als die Verfolger. Logisch erschien in dieser Phase nur eine Entscheidu­ng: Ferrari beordert den schnellere­n Räikkönen an Vettel vorbei, um den Sieg der Scuderia nicht zu gefährden. Doch die Italiener verzichtet­en darauf. Vettel bremste so die Spitze ein, Hamilton kam immer näher an Räikkönen heran, aber eben nicht vorbei .

Und gerade, weil Maranello schon die gesamte Saison über so eindeutig Vettel stützt, hätte wohl auch Mercedes sich einen Verzicht auf die faire Aktion zum Rennende ohne großen Aufschrei erlauben können. Es wäre zudem „naiv, zu sagen, dass wir diese Entscheidu­ng sicher nie bereuen müssen“, sagte Wolff: „Wenn wir jetzt die WM knapp verlieren, werden alle sagen: ,Budapest ist der Grund.‘ Manchmal ist es wirklich hart, an seinen Werten festzuhalt­en.“

 ?? FOTO: AFP ?? Herzenssac­he Fair Play: Lewis Hamilton und Toto Wolff.
FOTO: AFP Herzenssac­he Fair Play: Lewis Hamilton und Toto Wolff.

Newspapers in German

Newspapers from Germany