Widerstand gegen LEA-Standorte hält an
Ombudsmann für Flüchtlingserstaufnahme zeigt Verständnis für Sigmaringen und Ellwangen
STUTTGART - Der Protest gegen die geplanten dauerhaften Standorte zur Erstaufnahme von Asylsuchenden ebbt nicht ab. Vor allem in Sigmaringen und Ellwangen wehren sich Bürger und Verwaltungsspitze weiter gegen die Pläne des Innenministeriums. Karl-Heinz Wolfsturm hat dafür Verständnis. „Bei der Größenordnung sollte auch die Struktur vor Ort Berücksichtigung finden“, sagt der scheidende Ombudsmann für die Flüchtlingserstaufnahme in BadenWürttemberg.
Im November 2016 hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein Papier zur Zukunft der Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) vorgestellt. Er reagierte damit auf die sinkenden Zugangszahlen. Statt der ursprünglich 34 000 Plätze – wie zu Hochzeiten der Flüchtlingskrise – sollen ab 2020 nur noch 8000 vorgehalten werden, die sich bei Bedarf auf 16 000 erweitern lassen. Die Kapazität wird über die Jahre schrittweise reduziert, aktuell liegt sie bei 18 000. Noch 2016 sollte das neue Standortkonzept von der Landesregierung abgesegnet werden. Das steht bis heute aus, denn der Widerstand ist nach wie vor groß.
Strobls Konzept sieht nämlich unter anderem vor, dass in jedem Regierungspräsidium eine LEA dauerhaft bleiben soll. So sollen in Karlsruhe 1000 Plätze und in Freiburg 800 Plätze bereitgestellt werden. Eine Belegung der ehemaligen Polizeiakademie in Freiburg ist nach Umbaumaßnahmen für Ende dieses Jahres angedacht, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums. In der ehemaligen Kaserne in Ellwangen sollen dauerhaft bis zu 700 Menschen unterkommen – sehr zum Unmut der Menschen vor Ort. Dass in der kleinsten Erstunterbringungs-Kommune Sigmaringen mit ihren gut 16 000 Einwohnern die meisten Plätze, nämlich 1250, bestehen bleiben sollen, stößt dort auf harsche Kritik.
Auf Struktur der Stadt achten
Karl-Heinz Wolfsturm kennt die Sorgen der Menschen in den kleinen Städten und versteht sie. „Ländliche Räume und Kleinstädte sind anders strukturiert als Großstädte“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir müssen Verständnis haben für die Menschen, die in den Standortgemeinden von Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen und ihren Lebensmittelpunkt haben, die etwa in Sigmaringen wohnen und Veränderungen sehen, die sie vielleicht nicht gutheißen.“
Zwei Jahre war der ehemalige Leiter der Friedrichshafener Polizeidirektion Vermittler zwischen Bürgern, ehrenamtlichen Helfern, Behörden und Flüchtlingen. Am Montag hat er seinen letzten Tag im Stuttgarter Büro verbracht – sein ehrenamtliches Engagement war auf zwei Jahre angelegt. Zum Abschied schenkten ihm die Mitarbeiter und Kollegen ein Fotobuch. „Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen“, sagt er beim Betrachten der Bilder: Hallen, in denen Bett an Bett steht. Berge an Kleiderspenden. Provisorien allenthalben. Ende 2015 und Anfang 2016, als besonders viele Menschen nach Deutschland kamen, wurde aus seinem DreiTage-Ehrenamt eine Sechs-Tage-Woche. „Es war eine anstrengende Erfahrung, aber ich will sie nicht missen. Jetzt kann ich mit einem zufriedenen Gefühl einen Schnitt setzen. Denn ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass man damals vieles geschafft hat.“
Zu den Hochzeiten der Krise lebten 30 000 Menschen dicht gedrängt in den Erstaufnahmestellen – mit allen daraus erwachsenden Problemen. Nach Informationen des Innenministeriums sind es aktuell knapp 5600. Die Hilfsstrukturen für die Bewohner sind laut Wolfsturm gefestigt, es gibt genügend Platz für jeden. Das Standortkonzept mit den vier LEAs habe seine Berechtigung. Für eine gut funktionierende LEA bedürfe es an Infrastruktur – soziale Dienste, Securities, Ehrenamtliche und vieles mehr. Je weniger Standorte, desto wirtschaftlicher können diese Einrichtungen betrieben werden. Auch der Landesrechnungshof hat sich in seiner jüngsten Denkschrift dafür ausgesprochen, Kasernen für die Flüchtlingsunterkunft zu nutzen.
Aber: „Wir sollten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Belangen der Bürger und den Landesinteressen anstreben und berücksichtigen“, sagt Wolfsturm. „Für eine Integration brauchen wir ein gesundes Klima in den Gemeinden. Die neu zu uns gekommenen Menschen müssen auch unsere Lebensweise und Verhaltensstandards kennenlernen, auch einkaufen gehen können – das gehört zum Ankommen in unserem Land.“Ist die Atmosphäre von gegenseitigem Unmut und Misstrauen geprägt, hilft das niemandem. In Bezug auf Ellwangen und Sigmaringen sagt er: „Ich denke, die berechtigten Belange der Bürger der Standortgemeinden werden im Innenministerium wahrgenommen.“