Der Mensch, das Tier
„Planet der Affen 3: Survival“ist ein Western über die Grenzen des Menschlichen
Menschen gegen Menschenaffen – in den ersten Minuten, als amerikanische Soldaten schwer bewaffnet und so gut getarnt wie möglich durch einen modrigen Wald schleichen, glaubt man sich in einen Vietnam-Film versetzt. Aber schnell ist klar, dass es sich eigentlich um einen Western mit Indianern handelt. Die Gegner der Amerikaner sind nicht andere Menschen, sondern eine fremde Wesensform, die ausgerottet werden soll, weil man sich ihr grundsätzlich überlegen glaubt.
Wider ein totalitäres Regime
Diese Menschenaffen wollen dagegen eigentlich nur in Frieden leben. Sie ziehen sich im opferreichen Abwehrkampf zurück. Immer tiefer in die Wälder, immer weiter nach Norden. Und werden doch immer wieder in die Falle gelockt von Verrätern, die – wie einst die IndianerScouts im Westernfilm – mit der Armee gemeinsame Sache machen. Nur einer richtet sie immer wieder auf: Caesar, ihr hochintelligenter, charismatischer Anführer.
Es ist schon eine anspruchsvolle Denkübung, sich in eine Horde Tiere hineinzuversetzen, ihnen menschliche Züge anzudichten und dafür in den Menschen das Unmenschliche zu erkennen. Sie wird erleichtert durch die inzwischen nahezu perfekte CGI-Technik, die einen vergessen lässt, dass die Affen dieses Films Darsteller sind, deren Performance computergesteuert wurde. Diese Denkübung macht seit jeher den Reiz der „Planet der Affen“-Filme aus. Darwins Evolutionstheorie trifft Binsenweisheit vom bösen Mensch und gutem Tier und den nahe liegenden Kitsch der Menschenähnlichkeit von Affen.
Doch wenn in den 1960er-Jahren, als die ersten Filme der Reihe herauskamen, offene Analogien zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung und zum Rassismus der US-Gesellschaft gewollt waren, sind diese seit 2011 eher unterspielt. Man könnte im „Anderen“der Affen außer auf unterdrückte Farbige sehr leicht auch auf den Status von Moslems in den Augen der westlichen Demokratien anspielen. Tatsächlich sind es hier aber eher historische Parallelen – eben zu Indianern und Arbeitssklaven in den Lagern totalitärer Diktaturen.
Denn der eigentliche Kern der Handlung des dritten Teils, „Planet der Affen 3: Survival“, bei dem Matt Reeves Regie führte, und der auch ohne Kenntnis der ersten beiden Filme problemlos zu verstehen ist, ist Caesars Wunsch, den Tod seiner Frau und seines Sohnes zu rächen. Nachdem er den Affenstamm in vermeintlich sicheres Terrain geschickt hat, verfolgt er mit drei Begleitern die Spur der Mörder. „Lederstrumpf“wie „Apocalypse Now“lassen grüßen: Der von Andy Serkis in grandioser CGI-Maske als weiser, selbstloser Volksführer gespielte Caesar wirkt als eine Art Affen-Sitting-Bull. Der Kontrahent in diesem Spiel, ebenso ein General Custer wie ein Major Kurtz, ist der von Woody Harrelson etwas trashig verkörperte namenlose Colonel, der seine eigene, messianisch-morbide Mission verfolgt, die erst mit der Zeit klar wird. Beide Feinde verbindet ihr Todestrieb.
Grenzen überschreiten
Irgendwann muss Caesar feststellen, dass dieser Colonel seinen kompletten Affenstamm gefangen und zu Arbeitssklaven gemacht hat. Doch zuvor sind seiner kleinen Gruppe auf ihrer Reise zwei Gefährten zugewachsen: „Bad Ape“(Steve Zahn), ein ehemaliger Zoo-Schimpanse der fast haarlos und angsterfüllt in einer dunklen Behausung aufgefunden wird. Und ein verlorenes, stummes, blondes Menschenmädchen (Amiah Miller). Anfangs verschüchtert und traumatisiert, wie jene Kinder, die im Hollywood-Western in die Hände der Indianer fielen, wird sie zum poetischen Motor des ganzen Geschehens. Denn sie ist das einzige Menschenwesen, das hier die Grenze zwischen Mensch und Affe überschreitet und schließlich der Handlung eine entscheidende Wendung gibt. Wie zur Belohnung tauft Caesar sie irgendwann, und der Name, den er ihr gibt, „Nova“, signalisiert, dass anhand dieser menschlichen Affenprinzessin ein neuer Handlungsstrang geknüpft werden könnte.
Novas auch moralischer Übertritt zur anderen Seite wird zur Initialzündung für den Aufstand der Wehrlosen gegen ein totalitäres Regime, gegen hassenswerte Autoritäten. Die Affen leben jene Tugenden vor, die die Menschen vergessen haben: Solidarität, Mitleid mit den Schwächsten, Mut und Konsequenz.
Was ist die Grenze der Menschen, hinter der ihr Menschsein endet? Sprache oder Mitleid? Weil er solche Fragen stellt, sein Publikum erschüttert, irritiert und zu neuen Ufern führt, ist der dritte Teil von „Planet der Affen“der tiefsinnigste, berührendste unter den Blockbustern dieses Sommers. „Planet der Affen 3: Survival“, Regie: Matt Reeves. Mit Andy Serkis, Woody Harrelson, Judy Geer. USA/Kanada/Neuseeland 2017. 140 Minuten, FSK ab 12.