Pelzige Gefahr für Deiche
Nutrias: Die aus Südamerika stammenden Bisamratten haben sich hierzulande in manchen Regionen enorm ausgebreitet
LÜNEBURG (dpa) - „Guckt mal, ein Biber“, sagt das Mädchen im Kanu. Doch was da am Ufer der bei Lüneburg dahinfließenden Ilmenau liegt, das ist kein Biber, sondern eine Nutria. Die pelzigen Nagetiere sehen den Bibern ganz ähnlich, doch am runden Schwanz kann man sie erkennen. Mit bis zu zehn Kilogramm sind die aus Südamerika stammenden Nutrias zudem viel kleiner. Einige Kilometer weiter fließt die Ilmenau in die Elbe und spätestens dort sind die exzellenten Schwimmer mit ihren unterirdischen Bauten mehr als nur eine hübsche Augenweide.
„So niedlich die Nager auch aussehen, so gefährlich sind sie für den Hochwasserschutz“, sagt Katrin Holzmann, Pressesprecherin des Landkreises Lüneburg. „Nutrias graben Löcher und Gänge in die Deiche und Uferböschungen an der Elbe und ihren Nebenflüssen“, erklärt sie. „Schlimmstenfalls kann ein unterhöhlter Deich dadurch bei Hochwasser brechen.“Deshalb habe der Kreis 2016 auch Fallen finanziert.
Wegen der Wühltätigkeit könnten sogar zum Unterhalt der Deiche eingesetzte Fahrzeuge einbrechen, heißt es beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).
Begehrter Nutria-Pelz
Nutrias wurden wegen ihres Pelzes schon vor rund hundert Jahren nach Deutschland geholt, doch so richtig ausgebreitet haben sie sich erst in den vergangenen Jahren. „In neun Jahren hat sich das Vorkommen in den erfassten Gebieten etwa verdoppelt“, sagt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV). „So wurden Nutrias 2015 bereits in etwa jedem sechsten Revier nachgewiesen.“Im Jahr 2006 waren laut DJV in acht Prozent der Reviere Nutrias unterwegs, 2015 in 16.
Hauptursache der Zunahme seien die milden Winter, urteilen die Experten des Wildtier-Informationssystems (WILD). Sie haben die Daten von mehr als 24 000 Revieren ausgewertet, etwa 40 Prozent der Fläche Deutschlands. In der DDR wurden sie auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt und vor allem wegen ihres Pelzes gezüchtet. Doch als nach der Wende die Nachfrage einbrach, wurden sie oft freigelassen.
Zu den Verbreitungsschwerpunkten gehören laut DJV neben Rheinland-Pfalz und Niedersachsen auch Nordrhein-Westfalen, der Rhein im Westen Baden-Württembergs, die Elbe in Sachsen-Anhalts, sowie Gebiete Brandenburgs an Havel, Schwarzer Elster und Neiße, sowie der Spreewald.
Im Jagdjahr 2014/15 wurden bundesweit mehr als 19 500 Nutrias erlegt, zehnmal so viele wie 15 Jahre zuvor. „Jäger sind die kompetenten Ansprechpartner, wenn es um die Reduzierung der Nutria-Bestände mit Falle und Waffe geht“, sagt DJV-Präsidiumsmitglied Helmut DammannTamke. Rufe nach einer Einschränkung der Jagd in Naturschutzgebieten oder gar ein Verbot der Jagd mit der Falle seien nicht nur kontraproduktiv für den Artenschutz, sondern „fahrlässig“. „Politik, Behörden und Verbände müssen besser und abgestimmt zusammenarbeiten“, fordert Dammann-Tamke. „Wir benötigen einen Nutria-Managementplan.“
Solch ein Plan könnte bald schon Wirklichkeit werden, die EU hat die Nutrias als sogenannte invasive Art im Visier. Und so sitzen derzeit laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Experten wie von der EU gefordert bundesländerübergreifend an Managementplänen zur Eindämmung, in einigen Monaten sollen erste Ergebnisse vorgestellt werden. „Wir sehen die ökologischen Schäden“, sagt Claudia Grünewald, Teamleiterin Artenschutz beim Naturschutzbund (Nabu). Nach neuesten Zahlen sind Nutrias im vergangenen Jahr nun schon in knapp 25 Prozent der Reviere gesichtet worden. 2016 wurden dort erstmals mehr als 10 000 Exemplare erlegt. „Die Nutrias gehören nicht nach Deutschland“, sagt Roland Gramling vom WWF.
Internet: nrw.nabu.de, www.wwf.de, www.jagdverband.de,